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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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vor, wie Zack auf Graces Fragen reagieren würde.
    “Hätten Sie Lust, heute Abend mit meinem Sohn und mir zu essen?”, fragte er, während sie die kleine Düne zur Sackgasse hinaufgingen.
    “Oh, vielen Dank für die Einladung, aber ich muss arbeiten.”
    Obwohl sie heute schon wesentlich kräftiger wirkte als bei ihrer ersten Begegnung, war sie auf dem Weg zu ihrem Wagen, der in seiner Auffahrt stand, wieder etwas wacklig.
    “Möchten Sie noch ein Glas Wasser trinken, ehe Sie fahren?”, bot er an. “Oder irgendwas anderes?”
    “Nein, danke.”
    “Ich frage nur, weil Sie plötzlich so geschwächt wirken.”
    “Ich …” Den Blick auf die Straße gerichtet, setzte sich Grace hinters Steuer. “Ich bin mit meinen Gedanken wohl noch bei Shelly. Ich empfinde Mitleid für sie; für das, was sie durchmachen musste.”
    Rory nickte. “Ich weiß. Sie hat es wirklich gut bei den Catos, aber mich packt immer noch eine rasende Wut, wenn ich über die Frau nachdenke, die sie am Strand ausgesetzt hat. Shelly war …”, er hielt Daumen und Zeigefinger einen halben Zentimeter auseinander, “… so nah dran zu sterben.”
    Grace blickte durch das Seitenfenster zum Strand. “Vielleicht sollten Sie nicht zu schnell über diese Frau urteilen, Rory. Nicht, bevor Sie mehr über die Umstände wissen”, riet sie. “Wer weiß, was sie durchgemacht hat?”

16. KAPITEL
    A m Samstagnachmittag saß Daria im Schatten eines Sonnenschirms am Strand. Obwohl es sehr voll war, hatte sie noch ein Plätzchen in der Nähe des Strandhafers ergattert. Sie las in einem Architekturmagazin – oder zumindest versuchte sie es, denn sie wurde von Schuldgefühlen gepiesackt, die ihr die Konzentration stahlen. Am Morgen hatte der Leiter der Rettungsleitstelle angerufen, ihr von der akuten Personalknappheit berichtet und sie angefleht zurückzukommen. Die müssen denken, ich bin ein sturer Esel, dachte sie. Sie wussten ja nicht, dass es die pure Angst und Scham waren, die sie daran hinderten, in einen Rettungswagen zu steigen und zur nächsten Unfallstelle zu fahren.
    “Lass uns Krebse fangen gehen.” Die Stimme kam von hinten, und sie drehte sich um und sah Rory auf sich zu kommen. Zu dem goldgelben T-Shirt und den schwarzen Shorts trug er einen Strohhut, der sie zum Lachen brachte.
    “Krebse fangen?”, fragte sie. “Ich glaube, das habe ich nicht mehr gemacht, seit wir Kinder waren.”
    “Das habe ich mir vorhin auch überlegt”, erwiderte Rory. “Wir haben damals die Hälfte unserer Zeit mit Krebsfangen verbracht, und das, obwohl mir die Viecher noch nicht mal geschmeckt haben. Aber jetzt mag ich sie. Also, wie wär's? Ich habe sogar Köder gekauft – in weiser Voraussicht, dass du bestimmt Ja sagst.”
    Daria dachte an das alte Krebsnetz und die Fallen, die im Geräteschuppen des Sea Shanty längst Staub angesetzt hatten. Dann sah sie zu ihm auf. “Du hast mich damals im Stich gelassen, weißt du das eigentlich?”
    “Dich im Stich gelassen?” Mit dem Strohhut auf dem Kopf sah er aus wie Huckleberry Finn.
    “Ja. Du hast mich für die Älteren fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.”
    Rory blickte angestrengt zum Horizont, als müsste er ihre Worte verdauen. “Ja, das habe ich wohl. Ich habe mich damals irgendwann verpflichtet gefühlt, meine Zeit mit dir zu verbringen. Wahrscheinlich, weil ich unbedingt zu den anderen gehören wollte. Hat übrigens nie geklappt.” Er lächelte sie an. “Tut mir leid.”
    “Es sei dir verziehen.” Sie stand auf. Ihren Sonnenschirm und den Stuhl würde sie einfach am Strand lassen. “Dann gehen wir doch mal auf Krebsfang”, sagte sie.
    “Prima! Fahren wir mit meinem Wagen?”
    “Wie wär's mit dem Fahrrad?”, schlug sie vor. Sie wusste, dass er und Zack für den Sommer Fahrräder gemietet hatten, und sie selbst besaß natürlich auch eines.
    Während Rory die Köder aus dem Haus holte, suchte Daria im Schuppen die alte Ausrüstung zusammen. Sie trafen sich auf der Sackgasse, teilten die Sachen auf die Räder auf und machten sich dann quer durch Kill Devil Hills auf den Weg zum an der Bucht gelegenen Pier.
    Daria fuhr hinter Rory, darum bemüht, mehr auf den Verkehr und weniger auf das Spiel seiner Rückenmuskeln zu achten. Sie hatten sich in den letzten Tagen ein paar Mal unterhalten – am Strand, im Sea Shanty oder im Fitnessclub –, und jedes Gespräch hatte sich um dieselben Themen gedreht: Grace oder Zack. Rory und Grace hatten sich nun schon mehrmals getroffen, und Daria hätte

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