Sommerkind
er dann.
“Du und Grace, ihr macht es wahrscheinlich jedes Mal, wenn ich weg bin”, provozierte Zack ihn.
“Nur zu deiner Information: Grace und ich haben gerade ein Mal Händchen gehalten”, erwiderte er, als wäre diese vornehme Zurückhaltung auf seinem Mist gewachsen. “Und außerdem sind Grace und ich erwachsen.”
“Was hat das denn damit zu tun?”
“Du kennst die Antwort.”
Zack hörte auf zu treten. Mit dem Handtuch um seinen Hals wischte er sich das Gesicht ab. “Sieh mal, Dad. Du hast mich in dieses dämliche North Carolina geschleift, und ich versuche bloß, das Beste daraus zu machen. Okay?” Er stieg von seinem Fahrrad. “Ich mache noch ein bisschen Kickboxen. Ich gehe dann zu Fuß nach Hause. Du brauchst also nicht auf mich zu warten.”
Rory sah ihm nach. Kickboxen. Zack hatte sich an den einzigen Ort im Fitnessstudio verdrückt, an den Rory ihm nicht folgen könnte. Und vermutlich wusste er das ganz genau.
Nach Verlassen des Fitnessstudios fuhr Rory zur Sackgasse, parkte den Wagen in seiner Auffahrt, ging jedoch nicht ins Haus. Lindas große Golden-Retriever-Hündin Melissa wartete auf der Treppe zur Eingangstür auf ihn, und er wertete das als Zeichen. Er sollte sich endlich einmal Lindas Erinnerungen an den Sommer '77 anhören.
Mit Melissa an seiner Seite ging er die Sackgasse hinauf zu dem Cottage, das der Strandstraße am nächsten war. Der Hund stürmte vor ihm die Stufen zur Veranda hoch, und als Rory an die Fliegengittertür klopfte, löste er ein vielstimmiges Hundegebell aus.
Sofort erschien eine Frau mit kinnlangen roten Haaren an der Tür. Um ihre Beine wuselte eine Masse goldenes Fell. Mindestens vier Hunde. Die Frau sah ihn an, und nach wenigen Sekunden verzog sich ihr Mund zu einem strahlenden Lächeln.
“Hallo Rory Taylor”, sagte sie.
“Hi … Jackie, richtig?”
“Genau.” Sie öffnete die Tür gerade so weit, dass sie ihm die Hand schütteln konnte. Dann blickte sie nach unten auf Melissa, die nicht von seiner Seite gewichen war. “Mir ist zu Ohren gekommen, dass Melissa Ihr kleines Groupie geworden ist. Ich schätze, sie ist unsere Ausreißkünstlerin.”
“Ich habe sie eigentlich ganz gern um mich.” Rory kraulte Melissa hinter den flauschigen Ohren.
“Wollen Sie zu Linda?”
“Wenn sie Zeit hat.”
“Sie hat schon auf Ihren Besuch gewartet. Ich nehme an, Sie sprechen mit jedem, der hier gewohnt hat, als Shelly Cato gefunden wurde, stimmt's?”
“Ich spreche mit jedem, der auch mit mir reden will.”
“Warten Sie einen Moment.” Jackie verschwand im Haus, und kurze Zeit später erschien Linda mit drei Flaschen Bier in den Händen und vier Hunden auf den Fersen auf der Terrasse.
“He, Rory!” Sie schenkte ihm ein breites Grinsen, das ihre weißen Zähne entblößte. “Lass uns auf die Dachterrasse gehen.”
Für einen Moment war er von ihrem überschwänglichen Empfang überrascht, obwohl ihre Begrüßung bei ihrer ersten Begegnung am Strand genauso herzlich gewesen war. Das stille, furchtbar schüchterne Mädchen von damals schien längst nicht mehr zu existieren.
Er folgte Jackie, Linda und ihren großen blonden Retrievern über eine hölzerne Wendeltreppe auf die kleine Dachterrasse. Linda reichte ihm ein Bier und bot ihm mit einer Handbewegung einen gemütlichen Sessel an. Um ihn herum wuselten die freudig mit dem Schwanz wedelnden Hunde, und Melissa legte den Kopf auf seinen Oberschenkel.
“So, so.” Linda stützte sich mit den Ellbogen auf den Knien ab, das Bier hielt sie in der rechten Hand. “Du versuchst also herauszufinden, wer Shelly am Strand ausgesetzt hat.”
“So ist es”, antwortete Rory. “Ich weiß, es ist schon lange her, aber ich wollte mal hören, woran du dich noch erinnerst.”
“Eigentlich habe ich mich ernsthaft bemüht, diese Zeit komplett zu vergessen”, sagte Linda, immer noch mit einem Lächeln. “Sie war ziemlich hart für mich.”
Er nickte verständnisvoll. Er selbst hatte homosexuelle Freunde und wusste, dass es die meisten als Jugendliche nicht leicht hatten. “Aber jetzt scheint es dir fantastisch zu gehen”, meinte er. “Als was arbeitest du?”
“Du meinst, außer viel zu viele Hunde aufzuziehen? Als Dozentin. Jackie und ich lehren beide an der Duke-Universität.”
“Ich gebe Mathe”, fügte Jackie hinzu. “Und Linda Literaturwissenschaften.”
Bei der Kombination verzog Rory das Gesicht. “Und ihr vertragt euch?”
“Meistens schon”, erwiderte Linda lachend.
“Na
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