Sommerkind
dann”, sagte Jackie und schlug die Beine übereinander, “erzähl mir doch mal, wie Linda als Mädchen war.”
Wieder lachte Linda. “Wir sprechen hier aber nicht über
mich
, Jack. Wir reden von all diesen rauflustigen Kindern, die früher in der Straße gewohnt haben.”
“Rauflustig?”, wiederholte Rory. “Ich finde nicht, dass sie so ungewöhnlich waren.”
“Ja, weil du eines von ihnen warst”, sagte Linda. “Ich stand immer nur stumm daneben und sah das Leben an mir vorbeiziehen.”
“Dann bist du vermutlich genau die richtige Gesprächspartnerin für mich”, meinte Rory. “Vielleicht bist du objektiver als alle anderen.”
“Ich wette, es war keine, die wir kannten. Ich meine, natürlich könnte ich jetzt wilde Vermutungen darüber anstellen, wer es gewesen sein könnte. Aber Tatsache ist doch, dass Sommer war und Kill Devil Hills vor Touristen gebrummt hat. Es könnte ohne Probleme jemand gewesen sein, der nur für eine Woche hier unten war. Oder für einen Tag.”
“Das stimmt. Aber zunächst werde ich mich auf unsere Straße konzentrieren. Und von hier aus möglichen Verästelungen nachgehen.”
“Also, da war ja immer diese Cindy Trump.” Linda wandte sich an Jackie: “Die Leute hier haben sie Cindy Tramp genannt.”
“Aha”, machte Jackie.
“Die war doch einfach unglaublich, oder?”, fragte Linda Rory. “Also, ehrlich. Diese Möpse. Ich weiß noch genau, dass sie nicht älter als zehn war, als sie ihr gewachsen sind. Und dann hat sie immer diesen Badeanzug getragen – da war sie vielleicht zwölf –, und wenn der nass wurde, wurde er auch durchsichtig. Man konnte ihre Schambehaarung sehen, was mich damals völlig aus der Bahn geworfen hat. Schließlich war ich erst neun und hatte kaum eine Ahnung, welcher Anblick sich mir da bot. Ihre Nippel zeichneten sich auch ab. Man sah einfach alles.”
Rory musste lachen. Im Nacken spürte er die Hitze der Erinnerungen. “Diesen Badeanzug hatte ich total vergessen, aber da du ihn jetzt erwähnst, sehe ich ihn wieder genau vor mir. Er war pink, oder?”
“Lila, glaube ich. Ist ja auch egal.”
“Und ich erinnere mich auch noch an die Bikinis, die sie später trug.”
“Mein Gott, ja.” Linda stöhnte, und ihm wurde klar, dass sie damals beim Anblick von Cindys sinnlichem Körper dasselbe Kribbeln im Unterleib verspürt hatte wie er. “Sie hat immer diese gehäkelten Bikinis getragen”, erklärte Linda ihrer Freundin. “Ihre Haut war stets stark gebräunt, und sie tänzelte immer am Strand umher und ließ haufenweise männliche Wesen in ihrem Kielwasser zurück. Und mittendrin ich, die ich mich sabbernd hinter meinem Buch versteckt habe.”
“Das habe ich nie gemerkt, Linda.” Rory schüttelte den Kopf. “Ich habe nie gewusst, dass wir zwei damals so viel gemeinsam hatten.”
Linda lachte.
“Chloe war damals auch ziemlich heiß”, sagte sie. “Sie war so … heißblütig mit dem langen dicken Haar und diesen Wahnsinnswimpern.”
“
Schwester
Chloe?”, fragte Jackie.
“Oh ja”, antwortete Linda. “Chloe und ihre Cousine Ellen. Weißt du, wen ich meine? Sie kommt hin und wieder mit ihrem Ehemann hierher. Diese stämmige Frau.”
Jackie nickte.
“Ja, Chloe war scharf”, stimmte Rory ihr zu. “Aber sie war eine richtige Bohnenstange, abgesehen von ihren …” Er brach mitten im Satz ab. Es war seltsam, mit einer Frau so über Chloes Körper zu sprechen. Noch dazu, da es der Körper einer Nonne war.
“Ich weiß, was du meinst.” Glucksend führte Linda seinen Gedanken zu Ende.
“Für mich hört es sich so an”, mischte sich nun Jackie ein, “als könnte es diese Cindy Tramp nicht gewesen sein. Ich meine, wenn sie ständig im Bikini am Strand herumgehopst ist, wie hätte sie da eine Schwangerschaft verbergen sollen?”
“Aber genau das ist ja der Punkt”, sagte Linda. “Daria hat Shelly gleich zu Beginn des Sommers gefunden, und die Woche davor war es kühl und regnerisch. Es hat sich also niemand im Bikini oder Badeanzug am Strand gezeigt. Wir haben uns alle warm eingepackt.” Auf einmal beugte sie sich noch weiter zu Rory hinüber, ihr Gesicht war ernst. “Rory, ich habe ein bisschen Angst davor, dir zu sagen, wer meiner Meinung nach Shellys Mutter war.”
Er zog die Augenbrauen hoch. “Warum? Wer?”
“Ich habe immer gedacht, es wäre Polly.” Ihre Stimme klang entschuldigend.
“Wer war Polly?”, wollte Jackie wissen.
Rory lehnte sich zurück und vergrub seine Finger in Melissas
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