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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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Nackenfell. “Meine Schwester”, antwortete er. Dann wandte er sich an Linda: “Und warum glaubst du das?”
    “Es erschien mir logisch. Ich meine, hast du es nie in Erwägung gezogen?”
    “Nein”, widersprach er vehement, “nicht eine Sekunde.” Er sah zu Jackie. “Meine Schwester hatte das Downsyndrom.”
    “Und genau deswegen”, meinte Linda. “Es wäre ein Leichtes gewesen, Polly auszunutzen. Und wenn sie wirklich schwanger geworden sein sollte, hatte sie wahrscheinlich keine Ahnung, was da mit ihrem Körper geschah. Vielleicht wusste sie keinen anderen Ausweg, als zu versuchen, das Baby loszuwerden.”
    Rory lächelte nachsichtig. “Selbst Polly hätte gewusst, wie grausam und unmenschlich so was ist.” Es störte ihn, dass Linda das offenbar anders sah.
    “Na ja”, sagte sie und lehnte sich ebenfalls in ihrem Stuhl zurück. “Ich kann dir versichern, dass
ich
es nicht war. Und wenn es auch nicht Polly, aber auf jeden Fall jemand aus unserer Straße war, dann solltest du wohl schleunigst Cindy Trump ausfindig machen.”

21. KAPITEL
    V on dem Wohnzimmerfenster ihres kleinen Apartments über der Garage konnte Grace ihr Haus sehen. Es war kurz nach zehn am Morgen; Eddie war sicher schon im Café. Sie mied ihren Ehemann, so gut es ging. Natürlich musste sie während der Arbeit Zeit mit ihm verbringen, doch selbst dort beschränkte sie die Konversation auf das Nötigste.
    Sie stieg die außen gelegenen Stufen des Apartments hinab und betrat das Haus durch die Hintertür. Seit sie in die Räume über der Garage gezogen war, ging sie nur ins Haus, wenn sie sich Eddies Abwesenheit sicher sein konnte, und dann erschien es ihr stets zu leer und zu still. Grabesstill. Heute musste sie nur eine Kleinigkeit erledigen und würde sich dann schnell nach Kill Devil Hills aufmachen.
    Sie ging nach oben und öffnete die Tür zu dem Zimmer, das zu betreten sie seit Monaten vermieden hatte. Pamelas Zimmer. Als sie die nackte Matratze und die kahlen Wände sah, die ihrer Poster und Fotos beraubt worden waren, versetzte es ihr einen Stich. Eddie hatte das Zimmer leer geräumt. Es ärgerte sie, dass er sie nicht um ihre Zustimmung gebeten hatte. Ob er auch den Schrank ausgeräumt hatte?
    Mit schnellen Schritten durchquerte sie das Zimmer und öffnete eine der Schranktüren. Pamelas Sachen waren tatsächlich fort, doch in einem Schrankfach standen noch ein paar Kisten mit Krimskrams sowie das große Glasgefäß mit der Muschelsammlung. Grace griff danach, klemmte es zwischen Arm und Brust, wischte den staubigen Deckel mit einer Hand sauber und machte sich sodann auf den Weg zurück in die Diele. Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, merkte sie, dass sie die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte. So verharrte sie noch einen Moment, und ihre Atmung normalisierte sich wieder.
    Sie war schon fast an der Haustür angelangt, als sie die vertraute tiefe Stimme ihres Ehemannes vernahm.
    “Was hast du mit Pams Muschelsammlung vor?”, fragte Eddie.
    Um ein Haar hätte sie das Glasgefäß vor Schreck auf den Wohnzimmerteppich fallen lassen, ehe sie sich zu ihm umdrehte. “Wieso bist du nicht im Café?”, wich sie ihm aus.
    “Sally hat für mich aufgemacht.” Sally war eine ihrer Kellnerinnen. “Und so wie es aussieht, muss ich wohl noch jemanden einstellen. Du warst in der letzten Zeit ja nicht allzu … verlässlich.”
    “Ich weiß, und es tut mir leid.”
    “Wo hast du die ganze Zeit gesteckt, Grace? Warum warst du nicht im Café? Es stört mich nicht, wenn ich die gesamte Arbeit allein machen muss, aber es wäre nett, wenn du mir wenigstens sagen würdest, wann du kommst.”
    “Ich habe gerade viele Arzttermine”, log sie und bereute es sofort, denn als Eddie näher trat, war ein Anflug von Sorge in seinem Gesicht zu erkennen. Dennoch hütete er sich davor, sie zu berühren.
    “Geht es dir nicht gut?”, fragte er sanft, und ihr Herz übte Verrat, da es sich mit Liebe füllte. Er sah erschöpft aus. Neue graue Strähnen marmorierten sein dunkles Haar, und unter seinen blauen Augen zeigten sich Tränensäcke. Die letzten Monate waren auch für ihn hart gewesen.
    “Doch, ich bin okay”, sagte sie. Sie musste diese aufkeimende Zuneigung sofort ersticken. “Ich werde am späten Nachmittag ins Café kommen.” Mit diesen Worten presste sie das Glas noch fester an ihre Brust und verließ das Haus. Ob er von dem kurzen Seersucker-Kleid Notiz genommen hatte, das sie eigentlich nur über ihren

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