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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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Badesachen trug? Sie sah kaum aus wie jemand, der gerade auf dem Weg zum Arzt war.
    Sie fand Rory an dem Strandstück, das die Verlängerung der Sackgasse bildete.
    “Hi!”, sagte er, als sie ihren Liegestuhl neben seinen stellte.
    Er schien sich über ihre Anwesenheit zu freuen, und diese Freude war Nahrung für ihre Schuldgefühle. Sie ging mit den Männern in ihrem Leben nicht gerade freundlich um.
    “Hallo.” Sie zog ihr Kleid aus, setzte sich und holte eine Tube Sonnencreme aus der Strandtasche. “Wie geht es dir?”
    “Jetzt besser. Ich hatte heute gar nicht mit dir gerechnet.”
    “Ach, ich muss heute erst später arbeiten, und da dachte ich mir, ich komme kurz hoch.”
    “Gib her.” Er lehnte sich zu ihr hinüber und streckte seine Hand nach der Tube aus. “Ich creme dir den Rücken ein.”
    Grace hielt die Sonnencreme in die andere Richtung. “Es geht schon.” Sie quetschte ein wenig Lotion auf die Hand und versuchte, sie auf dem Rücken zu verteilen.
    Rory lachte über ihre Verrenkungen. “Ach komm, zier dich nicht so.” Wieder griff er nach der Tube, und diesmal ließ sie es zu. Sie lehnte sich in dem Liegestuhl nach vorn, während er ihr Schultern und Rücken eincremte.
    Das ist ein Fehler, dachte sie. Wie sollte sie bloß mit Rory umgehen? Sie wollte ihn zu nichts ermutigen, doch zugleich wusste sie, dass er der einzige Weg zu Shelly war. Sie wusste auch, dass sie falsche Hoffnungen bei ihm weckte, dass er denken musste, sie sei ein ums andere Mal von Rodanthe nach Kill Devil Hills gefahren, um ihn zu sehen.
    Als er mit dem Eincremen fertig war und sie nicht länger berührte, war Grace erleichtert. Seine Attraktivität war ihr natürlich nicht entgangen, doch kein Mann – weder Rory noch ihr Ehemann – konnte zurzeit ihr Interesse wecken. “Danke”, sagte sie, dann lehnte sie sich zurück.
    Sie plauderte mit ihm über das Wetter und irgendeinen Versuch vom Vortag, sich mit Zack über Sex zu unterhalten. Oh, bitte – davon wollte sie nun wirklich nichts hören. Sie hoffte, er würde Shelly erwähnen, und zwang sich trotz ihrer Ungeduld dazu, ihr Lieblingsthema nicht gleich selbst anzusprechen. Ihre Augen waren auf die Strandbesucher geheftet, in der Hoffnung, die große, blonde junge Frau zu entdecken, die dabei war, ihr Herz zu erobern.
    Nach wenigen Minuten des Schweigens und als klar war, dass er Shelly nicht von sich aus erwähnen würde, hielt Grace es nicht länger aus. “Ach, bevor ich es vergesse”, sagte sie, um einen beiläufigen Tonfall bemüht, “ich habe etwas für Shelly in meinem Auto.”
    “Sie arbeitet heute”, erwiderte Rory. “Aber wenn du willst, gebe ich es ihr.”
    “Arbeiten? In der Kirche?” Als sie realisierte, dass sie völlig umsonst gekommen war, wurde ihr das Herz schwer.
    “Ja. In St. Esther's.” Rory schirmte mit der Hand die Augen gegen die Sonne ab und sah sie an. “Was hast du denn für sie?”
    “Ach, nur ein altes Glas voller Muscheln. Es setzt in meinem Haus schon seit Jahren Staub an, und ich dachte, sie könnte damit vielleicht etwas anfangen.”
    “Da bin ich sicher. Vergiss nicht, es bei mir zu lassen, wenn du fährst.”
    “Ich könnte es ja auch selbst bei St. Esther's vorbeibringen. Ich fahre auf dem Heimweg ohnehin direkt daran vorbei.”
    Jetzt, da sie wusste, dass Shelly nicht in der Nähe war, konnte sie die Rückfahrt gar nicht schnell genug antreten. Doch es wäre auffällig gewesen, sofort zu verschwinden; und außerdem brannte Rory immer noch etwas unter den Nägeln.
    “Ich habe heute mit einer Nachbarin gesprochen”, sagte er. “Einer Frau, die auch hier wohnte, als Shelly gefunden wurde. Sie war als Kind einer von diesen schüchternen stillen Einzelgängern, aber ich glaube, genau das hat sie zu einer aufmerksamen Beobachterin gemacht.”
    “Und … was hat sie beobachtet?” Grace hielt gespannt den Atem an.
    “Sie macht auch nur ein Ratespiel aus der Sache, so wie alle anderen. Nur, dass …”
    “Nur, dass was?”
    “Sie hat gesagt, sie hätte immer gedacht, es wäre meine Schwester gewesen. Meine Schwester Polly. Polly hatte das Downsyndrom und war erst fünfzehn, als sich das Ganze ereignet hat. Natürlich glaube ich, dass Linda spinnt, aber … allein der Gedanke verletzt mich.”
    “Besteht denn auch nur die geringste Möglichkeit, dass sie recht hat?”
    “Nein, auf keinen Fall.” Rory schauderte. “Zumindest hoffe ich das. Meine Mutter hätte mit Sicherheit davon gewusst. Aber dann … fange ich an,

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