Sommerkuesse
ihrer eigenen Hunde, die sie eingescannt hat. Der dritte ist eine Fotomontage, die sie mithilfe irgendeines superkomplizierten Verfahrens aus den anderen beiden zusammenmontiert hat.
Eigentlich komisch, dass ich Battles Zimmer noch nie von innen gesehen hab. Andererseits war sie ja auch erst einmal bei mir – nach meinem Unfall, als sie und Katrina zu Besuch
kamen. Meistens hocken wir bei Katrina rum, weil sie immer rauchen will und Battle und ich keine Lust haben, uns unsere Zimmer voll qualmen zu lassen.
Ich klopfe an die Tür und warte. Kurz darauf macht Battle mir auf. Sie lächelt und ihre Augen sehen sogar noch grüner aus als sonst. Sie hat sich die Haare zusammengedreht und mit zwei Bleistiften hochgesteckt.
»Hi. Störe ich?«, frage ich.
Sie schüttelt den Kopf. »Komm ruhig rein. Da – der Altar zu Ehren von Dante und Beatrice.«
Beinahe die gesamte Wand hinter ihrem Schreibtisch ist mit Fotos ihrer beiden Hunde voll gepflastert. Dante und Beatrice, wie sie über einen gepflegten Rasen rennen. Dante und Beatrice, wie sie auf einem Bett dösen (wahrscheinlich bei Battle zu Hause). Dante und Beatrice, wie sie einfach nur so herumstehen und hübsch aussehen. »Die Süßen. Ich vermisse sie total«, sagt sie.
»Darauf wäre ich nie gekommen«, sage ich.
Sie grinst. »Habt ihr auch einen Hund?«
Ich schüttele den Kopf. »Ich hatte mal einen Goldfisch, aber der ist gestorben. Na ja, wahrscheinlich könnte man behaupten, dass ich mir mit einer Freundin das Sorgerecht für ihren Kater Frank teile.«
Es ist irrsinnig aufgeräumt bei Battle. Auf dem Boden liegen keine Klamotten rum, das Bett ist gemacht, nirgendwo leere Dosen oder Einwickelpapiere. Sogar die Bücher stapeln sich fein ordentlich auf dem Schreibtisch, statt im ganzen Zimmer auf allen verfügbaren Ablageflächen verteilt zu sein (Katrinas und meine bevorzugte Aufräummethode). Ich bin mir sicher, dass ihre Eltern sie lieben.
»Welcher ist welcher?«, frage ich mit Blick auf die Bilder.
»Dante ist der, der so fröhlich guckt. Beatrice schaut trauriger, die ist ein bisschen melancholisch veranlagt.«
Offenbar ist Dante ein bisschen größer und hat dunklere Stellen am Kopf. Trotzdem kann ich die beiden auch nach Battles Erläuterungen nicht auseinander halten.
»Setz dich doch.« Sie deutet aufs Bett.
»Ich setze mich lieber auf den Boden«, sage ich, was ich aber sofort bereue, weil ich mich nur einigermaßen schmerzlos auf den Boden setzen kann, indem ich das rechte Bein steif vor mir ausstrecke und dann langsam in die Hocke gehe. Wahrscheinlich sehe ich aus, als wollte ich mich an einer bizarren Figur aus irgendeiner Kampfsportart versuchen. »Äh … also, was ich dich fragen wollte … wir müssen für morgen so einen Artikel lesen, den ich null verstehe. Ich dachte, du kannst dich vielleicht noch vom letzten Jahr daran erinnern.«
Battle setzt sich neben mich und überfliegt die fotokopierten Seiten flüchtig. »Kommt mir nicht bekannt vor«, sagt sie. »Ich glaub nicht, dass wir den gelesen haben. Aber erzähl doch mal, was du nicht verstehst. Vielleicht haben wir ja was Ähnliches besprochen.«
Ich schildere ihr mein Problem mit der Typologie.
»Ah, ich erinnere mich«, sagt Battle. »Das hat mich auch immer gestört. Es kam mir immer total willkürlich vor, in was für Kategorien sie die Funde so einordnen – nur weil in irgendeinem Buch steht, dass ein bestimmtes Motiv ein Fruchtbarkeitssymbol ist, zweifelt keiner daran. Aber woher wollen sie das so genau wissen?«
»Eben! Genau das ist mein Problem. Mir ist sogar der Gedanke
gekommen … okay, das klingt jetzt vielleicht total verrückt, aber … dass sie sich einfach nur irgendwas ausdenken. Weißt du, was ich meine? Man kennt das doch von Lehrern. Manchmal behauptet einer, irgendwas sei eben so und nicht anders, und hinterher stellt sich dann heraus, dass es einfach nur seine persönliche Meinung war.«
Battle nickt wie wild. »Und das ist ja nicht nur in der Schule so. Mein Vater wird auch ständig von Leuten um Rat gefragt, bloß weil er Pfarrer ist. Ich weiß genau, dass er ihnen einfach das sagt, was ihm gerade in den Kopf kommt. Aber für die ist er so eine Art Allwissender.«
»Manchmal hat man das Gefühl, dass es Leute gibt, die gern gesagt bekommen, wo es langgeht. Und dann gibt’s welche, die anderen gerne sagen, wo es langgeht …«
Battle greift den Faden sofort auf. »… und dann gibt es noch solche wie dich und mich. Wir wollen erst mal wissen, wie
Weitere Kostenlose Bücher