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Sommerkuesse

Titel: Sommerkuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Ryan
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die darauf kommen, dass es da langgeht und nicht woanders.«
    Ihre grünen Augen leuchten. Solche wie dich und mich , echot es in meinem Kopf, und ich spüre, wie mir heiß wird. Nicht vor Verlegenheit – eher so, wie wenn man einen beheizten Raum betritt, nachdem man stundenlang draußen in der Kälte war.
    Auf einmal zieht Battle mit einem Ruck die Bleistifte aus ihrem Knoten und die Haare fallen ihr in weichen Wellen auf den Rücken. Sie erinnert mich an eine Figur auf einem Gemälde in einem von Dads Kunstbüchern. Plötzlich merke ich, dass ich schon seit einer Minute gar nichts mehr gesagt habe, und mein Mund fühlt sich so trocken an, dass ich husten muss. Weil ich das Gefühl habe, irgendetwas sagen zu müssen,
platze ich einfach mit dem erstbesten Gedanken heraus, der mir in den Kopf schießt. »Und dein Vater ist also Pfarrer?«
    »Wieso? Predige ich etwa zu viel?«
    »Überhaupt nicht – ich war bloß neugierig.«
    Battle wickelt sich seufzend eine Haarsträhne um den Finger. »Eigentlich war er mal Schauspieler. Aber er hat uns schon früher immer vorgeschwärmt, die Kanzel wäre eine ideale Bühne.«
    »Uns?«, frage ich nach.
    Battle steht auf und geht zu ihrem Schreibtisch rüber. Aus der mittleren Schublade nimmt sie ein kleines Holzkästchen, aus dem sie etwas herausholt, das sie in der hohlen Hand verbirgt. Dann hält sie mir das Kästchen hin.
    »Soll ich es aufmachen?«
    Sie nickt.
    Innen liegt ein Foto. Es zeigt einen Jungen. O nein, das ist bestimmt ihr Freund.
    »Seid ihr schon lange zusammen?«, frage ich.
    »Wir sind zusammen aufgewachsen«, antwortet Battle mit merkwürdiger Piepsstimme. »Aber ich hab ihn schon sehr lange nicht mehr gesehen.«
    Ich reiße meinen Blick von dem Foto los und sehe sie an. Auf ihrer rechten Hand steckt plötzlich eine Handpuppe. Ein über beide Backen strahlender Junge in einem roten Kleid mit einer winzigen Goldkrone auf dem Kopf. »Sehr lange«, wiederholt sie mit ihrer gewohnten Stimme.
    »Vor langer, langer Zeit«, piepst sie dann wieder mit der Puppenstimme, »da lebte einmal ein kleines Mädchen.« Die Puppe zeigt auf Battles Gesicht. »Ein kleiner Junge«, die Puppe
deutet auf das Holzkästchen. »Und ihre Mutter und ihr Vater. Sie lebten sehr glücklich und zufrieden.« Die Puppe klatscht in die Hände. »Sie sangen oft Lieder! Und lasen sich Geschichten vor! Und sie hatten ein kleines Puppentheater, für das sie sich eigene Stücke ausdachten.« Die Puppe verbeugt sich.
    »Alles wurde anders, als der Vater zu Gott fand. Auf einmal gefiel es ihm nämlich besser, wenn die Lieder, Geschichten und Theaterstücke von biblischen Dingen handelten. Und da hatte der kleine Junge keine Lust mehr zu spielen. Er sagte …« Die piepsende Puppenstimme knurrt plötzlich: »›Glaub nicht, dass ich deine Scheiße noch lange mitmache‹, ›Du interessierst dich doch einen Dreck für mich‹, ›Spätestens mit siebzehn bin ich sowieso weg‹.«
    Sie zieht sich die Puppe von der Hand und hält sie mir hin. »Und das war er dann auch. Er ist abgehauen, meine ich. Als er siebzehn wurde.«
    Fast hätte ich selbst die Hand in die Puppe gesteckt, lasse es dann aber lieber. Irgendwie käme mir das nicht richtig vor. Sie ist bis ins Detail sehr liebevoll gearbeitet und das rote Kleid ist aus dickem Samt. »Und ihr habt euch gut verstanden«, sage ich und stupse mit dem Zeigefinger leicht auf einen Zacken der Puppenkrone.
    »Anscheinend nicht so gut, wie ich dachte. Sonst hätte er sicher mal geschrieben, angerufen oder Rauchzeichen gegeben«, sagt Battle und sieht zu ihren Hundefotos hinüber. Bestimmt wünscht sie sich die beiden jetzt her.
    »Weißt du, wo er ist?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Er hat zwar die ganze Zeit von San Francisco, New York und Los Angeles geredet – er hat das
Kaff gehasst, in dem wir wohnen. Aber ich weiß nicht, wo er letztendlich hin ist. Vielleicht ist er auch da geblieben, wo er als Erstes gelandet ist. Einen Scheißdreck weiß ich.«
    Ihr dünnes Lächeln verrät, wie weh es ihr tut, über ihn zu sprechen. Ich würde gern etwas Tröstendes sagen, aber mein Gehirn versucht, irgendwie zu viele Dinge auf einmal zu tun, und alles, was mir einfällt, ist: »Das tut mir Leid.«
    Sie zuckt mit den Achseln. »Du kannst ja nichts dafür. Mir tut’s Leid, dass ich überhaupt davon angefangen hab. So was will natürlich keiner hören, das ist den Leuten eine Nummer zu krass. Was soll man dazu auch sagen?«
    »Ich bin aber nicht ›die Leute‹«,

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