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Sommerkuesse

Titel: Sommerkuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Ryan
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mir von der wanderung mitgebracht hat, aber sie ist nicht richtig getrocknet und sah eher nach zerquetschtem käfer aus. ich kann nur hoffen, dass das kein schlechtes omen ist.

3. Juli, 11:30 Uhr Besuchswochenende, Brunch
    Manchmal frage ich mich, ob ich mich deshalb so für Archäologie interessiere, weil es um Sachen geht, die schon lange vorbei sind. Ich kann den Rest meines Lebens damit zubringen, Fundstücke zu analysieren. Aber ob ich ein Tongefäß falsch zusammensetze oder irgendetwas zur Waffe erkläre,
das in Wirklichkeit bloß eine Haarnadel war, hat letzten Endes keine Folgen. Jedenfalls nicht für die Lebenden.
    Der Umgang mit lebenden Menschen ist da schon haariger.
    Sitzordnung (im Uhrzeigersinn): ich, Battle, ihre Mutter, ihr Vater, Katrinas Mutter, Katrina, Isaac, Isaacs Mutter, Isaacs Vater, mein Vater, meine Mutter.
    (Kevins Eltern konnten nicht kommen. Wahrscheinlich hockt er irgendwo rum und komponiert Zwölfton-Gesänge. Oder spielt mit seinem Hacky Sack. Oder beides.)
    Wenn ich mir Isaacs Eltern so ansehe, kriege ich Magenschmerzen. Sie sehen sich ähnlich. Zwei kleine, dunkle, dicke Leutchen, mehr Bruder und Schwester als Mann und Frau. Und sie sehen beide übermüdet aus, als hätten sie seit Monaten nicht mehr gut geschlafen – oder seit Jahren. Sie schauen einander nicht an. Sie sprechen nicht miteinander. Außer es lässt sich überhaupt nicht vermeiden.
    Da schaue ich mir lieber Battles Eltern an. Die Haare ihres Vaters haben einen noch dunkleren Goldton als ihre, seine Augen sind braun und er hat ein wettergegerbtes Gesicht. Man könnte sein Foto in ein Wörterbuch neben das Wort »distinguiert« kleben. Eigentlich sieht er aus wie ein Filmschauspieler, der einen Pfarrer spielt – was ja gar nicht so weit von der Realität entfernt ist, wobei ich ihm nicht absprechen möchte, dass er sich tatsächlich irgendwie berufen fühlt.
    Battles Mutter ist perfekt gestylt. Sie ist so raffiniert geschminkt, dass man es nur daran merkt, dass ihr Gesicht so besonders makellos aussieht. Beide sind wie für die Kirche angezogen, was natürlich nicht überrascht.
    Dafür überrascht mich Battle.

    Sie trägt ihr Haar zu einem unglaublich straffen französischen Zopf geflochten und hat ein spießiges, rosa Kleid an, das ihr bis über die Knie reicht und das ich noch nie an ihr gesehen habe. Sie knibbelt die ganze Zeit an der Haut rings um ihre Fingernägel herum und konzentriert sich mehr auf die Serviette in ihrem Schoß als auf irgendwen am Tisch.
    Meine Eltern sehen aus, als wären sie seit einem Monat auf der Straße unterwegs, was ja auch zutrifft. Dad in Jeans und einem seiner üblichen schwarzen T-Shirts (auf denen man die Tuscheflecken nicht sieht) und Mom in dem Kleid, das ich gerne als »Lunchtüte« bezeichne, weil es genauso formlos und braun ist.
    Katrinas Mutter sieht wie Katrina aus, nur hat sie viele graue Strähnen im Haar und ist nicht ganz so auffällig gekleidet.
    Bevor irgendjemand etwas sagt, senkt Battles Vater den Kopf, verschränkt die Finger und murmelt eine Weile vor sich hin. Es dauert einen Augenblick, bis ich kapiere, dass er ein Dankgebet aufsagt, und fast komme ich mir ein bisschen blöd vor, weil ich so eine Heidin bin.
    Aber abgesehen von Battles Mutter reagiert niemand, weshalb ich auch still bleibe.
    Isaacs Vater eröffnet das Tischgespräch, als er die Schinkenkroketten bemerkt.
    »Eine schallende Ohrfeige ist das!«, regt er sich auf.
    »Ach komm, Dad, als hätten wir jemals koscher gegessen«, sagt Isaac.
    »O, heißt das, dass mehr für uns übrig bleiben? Die sehen wirklich lecker aus!«, freut sich Katrinas Mutter.
    »Und mit Ranch-Dressing schmecken sie wahrscheinlich
sogar noch besser, Ma.« Katrina lädt sich eine Krokette auf den Teller.
    Nach kurzem Zögern nimmt sich auch Isaac eine. Er isst mit übertriebener Begeisterung, und ich muss an die Zigarette denken, die er rauchen wollte, um bei Katrina Eindruck zu schinden. Wenigstens kann man bei Kroketten nichts falsch machen.
    »Hey, meint ihr, es gibt auch Käsesoße?«, fragt Isaac, ohne direkt jemanden anzusprechen.
    »An einem so heißen Tag wie heute ist so ein Obstsalat doch herrlich erfrischend, nicht wahr?«, schwärmt Battles Mutter und hält Isaacs Vater die eisgekühlte Schüssel hin. Er nimmt sie zwar entgegen, guckt jedoch angewidert.
    »Da haben Sie wirklich Recht«, sagt Isaacs Mutter und reißt ihrem baldigen Ex-Ehemann die Schüssel aus der Hand. »Isaac, du solltest auch ein bisschen

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