Sommerkuesse
würdet euch bestimmt gut verstehen«, sagt er zu Katrina. »Sie ist dir ziemlich ähnlich.«
Aus irgendeinem Grund läuft Katrina rot an. Dann fragt sie: »Glaubst du, die gehen nach der Methode ›Dad kriegt den Jungen und Mom die Tochter‹ vor?«
Isaac zieht eine Schreibtischschublade raus und knallt sie gleich wieder zu. »Das sollen die mal versuchen.«
»Könnte ja auch sein, dass einer von den beiden in eine andere Stadt zieht«, sagt Battle leise.
Bevor Isaac antworten kann, schaltet sich Katrina ein: »Ja, genau. Wie meine Mutter. Die wollte so viele Kilometer wie möglich zwischen sich und meinen Dad bringen. Natürlich fand ich es total ätzend, aus New York wegzumüssen – aber ich hatte damals sowieso gerade eine Identitätskrise, und da kam es dann doch ganz praktisch, dass mich in Santa Fe keiner kannte. Ich konnte mich quasi neu erfinden.«
Ich frage mich, wie Katrina wohl vor der Scheidung ihrer
Eltern war und ob sie sich damals anders angezogen hat. Im Augenblick trägt sie ein weißes Männerhemd, darunter ein Schlauchtop aus blauem Glitzerstoff, dazu einen rotgrün karierten Schottenrock, der nach katholischem Schulmädchen aussieht, und lila Motorradstiefel. An ihren Ohrläppchen baumeln fluoreszierende Plastikskelette.
Isaac lässt sich die Idee mit der neuen Identität durch den Kopf gehen. »Cool. Ich glaub, dann lass ich mich ins Footballteam aufnehmen, schütte literweise Bier in mich rein und behandle alle Frauen wie ein Stück Dreck. Ach nee, wartet mal. Dafür müsste man wahrscheinlich schon sportlich sein, oder? Verdammt.«
Als wir lachen, spinnt er weiter. »Na gut, dann lass ich mir eben die Haare wachsen, leg mir eine Gitarre zu und schreib gefühlvolle Songs über Liebe, Tod und das Schicksal unseres Planeten. Dass ich null musikalisches Gehör hab, macht ja wohl nichts, oder?« Er macht eine kurze Pause, um einen Schluck Cola zu trinken. »Jetzt hab ich’s! Ich besorg mir schlecht sitzende Klamotten, fresse mir ein paar Kilos an, trag so eine Fünfziger-Jahre-Brille und lasse mich lang und breit über die Anschlussfehler der letzten Folge von ›Raumschiff Enterprise‹ aus. Solchen Typen liegen die Weiber doch zu Füßen.«
»Ooh, Baby, je länger und breiter, desto besser!«, stöhnt Katrina.
Battle und ich prusten los und Isaac grinst. »Na, was hab ich euch gesagt?«
»Hey! Das mit ›Raumschiff Enterprise‹ meinte ich doch! O Mann, seid ihr pervers!« Katrina greift sich ein Kissen von Isaacs Bett und schleudert es in seine Richtung, trifft aber nicht. Er wirft es zurück und erwischt sie am Kopf.
»Ich weiß nicht, Battle … ich glaub, wir sollten die zwei alleine lassen«, schlage ich grinsend vor.
»Das glaub ich aber auch«, sagt sie.
Wir stehen beide auf und gehen zur Tür.
»Macht’s gut, Leute«, ruft Isaac, der sich schon wieder mit einem Kissen bewaffnet hat und für den nächsten Schlag bereitmacht. »Meine Tür steht euch jederzeit offen.« Er will sie hinter uns zumachen, da schiebt sich Katrina rasch an ihm vorbei und verkündet: »Wir sprechen uns noch – aber erst muss ich mit den beiden hier ein ernstes Wort wechseln.«
Isaac guckt enttäuscht. Aber ich bin die Einzige, die das sieht. Er schließt die Tür.
Katrina schimpft sofort los, obwohl sie sich zusammenreißen muss, um nicht selbst loszukichern. »Sehr komisch, echt. Da lässt man mal einen harmlosen Satz los und schon …«
Ich unterbreche sie: »Mach dir nichts vor, Katrina. Der Typ will was von dir.«
Battle nickt.
Katrina verdreht die Augen. »Ja, klar. Sonst noch was? Ihr habt doch gehört, was er gesagt hat – ich erinnere ihn an seine kleine Schwester! Dass Isaac was von mir will, ist in etwa so realistisch, als würden wir Mädels was voneinander wollen.«
27. Juni, 23:37 Uhr, in meinem Zimmer
»Also, tschüss dann – bis ganz bald«, sage ich und lege auf. Mein Ohr ist ganz warm. Ich glaube, ich habe über eine Stunde mit meinen Eltern telefoniert.
Ich habe keine Ahnung, was sie gesagt haben.
Oder ich.
Vorhin habe ich versucht, die schriftliche Hausaufgabe für morgen zu erledigen. Ms Fraser will eine objektive Beschreibung von uns. Wir können uns aussuchen, was wir beschreiben wollen: einen Gegenstand, einen Ort oder einen Menschen. Die einzige Bedingung ist, dass es etwas oder jemand ist, das oder der tatsächlich irgendwo auf der Welt existiert. Nichts Erfundenes. Dadurch sollen wir üben, objektiv zu sein, was sehr wichtig ist, wenn man einen Fund
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