Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht
sich aus Seths Armen.
»Dies ist ein Vergehen, für das mich die höchste aller Strafen erwartet, sollte bekannt werden, dass ich es euch verraten habe. Nur Keenan sieht vielleicht darüber hinweg, sofern niemand anders davon erfährt. Ich möchte, dass er …«, sie neigte ihren Kopf ganz leicht in Seths Richtung, »bei allem, was nun folgt, eine faire Chance hat. Es wäre nicht richtig, ihn dieser Sache schutzlos und blind auszuliefern.«
»Oh, vielen Da…«
»Nein«, fiel sie ihm ins Wort. »Das sind Sterblichen-Worte, die durch leichtfertige Benutzung ihre Bedeutung verloren haben. Wenn du dich unter unseresgleichen bewegen willst, merk dir: Sie sind beinahe so etwas wie eine Beleidigung. Wenn dir jemand etwas Gutes tut, dir seine Freundschaft erweist, dann denk daran. Schmälere die Tat nicht, indem du diese leeren Worte aussprichst.«
Dann las sie es ihm vor, verriet ihm, wie er eine Salbe herstellen konnte, die ihm die Gabe verlieh, das Elfenvolk zu sehen .
Er zog beim Mitschreiben die Augenbrauen hoch, stellte aber keinerlei Fragen, bis sie das Buch zugeklappt und an seinen Platz zurückgestellt hatte. »Warum?«, fragte er dann bloß.
»Ich war in derselben Lage wie Ashlyn.« Donia betrachtete die Rücken der zerlesenen Bücher im Regal und begann zu zittern, als ihr die Tragweite ihres Handelns bewusst wurde. Ob wenigstens Keenan ihr vergeben würde? Sie war sich nicht sicher, aber sie glaubte – wie er –, dass Ashlyn wirklich die Sommerkönigin war. Warum sollte Beira sonst so großen Wert darauf legen, dass sie nicht in die Nähe des Zepters kam?
Donia riss ihren Blick von den Büchern los und schaute Ashlyn an. »Ich war eine Sterbliche. Ich hatte keine Ahnung, was er war; keine von uns hat es je vorher gewusst. Du bist die Erste, die ihn sehen kann, sie alle als das sehen kann, was sie sind. Was auch ich jetzt bin.«
»Du warst sterblich?«, wiederholte Ashlyn zitternd.
Donia nickte.
»Was ist passiert?«
»Ich habe ihn geliebt. Und ich habe ja gesagt, als er mich bat, bei ihm zu bleiben. Er hat mir die Ewigkeit versprochen, Liebe, mitternächtliche Tänze.« Sie zuckte die Achseln. Sie wollte nicht über Träume nachdenken, auf die sie kein Recht mehr hatte, vor allem jetzt, wo Ashlyn sie ansah. Seth würde eines Tages sterben, Keenan jedoch nicht. Wenn Ashlyn die Sommerkönigin war, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich in Keenan verliebte. Wenn sie erst einmal seine wahre Natur erblickte – wenn sie ihn als das erkannte, was er sein konnte …
»Auch mir wollte ihn jemand ausreden, ein anderes Mädchen, das ihm ebenfalls einmal geglaubt hatte«, fügte Donia hinzu und schüttelte den Kopf.
»Warum hast du nicht auf sie gehört?« Ashlyn erschauderte und rutschte näher zu Seth.
»Warum sitzt Seth hier?«
Ashlyn antwortete nicht, aber Seth tat es für sie. Er drückte Ashlyns Hand und sagte: »Liebe.«
»Du musst eine kluge Entscheidung treffen, Ashlyn. Seth hat die Wahl; er kann dich verlassen, er kann gehen, wenn er will …«
»Das werde ich nicht tun«, unterbrach Seth.
Donia unterdrückte ein Lächeln. »Aber du könntest es. Bei uns ist das anders. Wenn wir uns für Keenan entscheiden, gibt es kein Entkommen mehr. Und wenn wir es nicht tun …«
»Dann gibt es doch kein Problem. Ich will Keenan nicht.« Ashlyn reckte ihr Kinn und schaute sie, obwohl ihre Hände zitterten, herausfordernd an.
»Das wirst du aber«, erwiderte Donia sanft.
Donia erinnerte sich daran, wie sie ihn zum ersten Mal in seiner wahren Gestalt gesehen hatte, auf der Lichtung, auf der sie gewartet hatte, um das Zepter der Winterkönigin aufzuheben. Er war so unglaublich perfekt gewesen, dass sie fast vergessen hätte zu atmen. Wie konnte eine Sterbliche ihn zurückweisen, wenn er ganz er selbst war?
»Jetzt, wo er weiß, dass du die Sehergabe besitzt, kann er sich dir in seiner wahren Gestalt zeigen. Du wirst deinen eigenen Namen vergessen.«
»Nein.« Ashlyn schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn bereits in seiner wahren Gestalt gesehen, aber ich sage trotzdem nein.«
»Wirklich?« Donia starrte sie an. Sie hasste es, zu sagen, was sie jetzt sagen musste, aber Ashlyn hatte ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren. »Hast du das letzte Nacht auch gesagt?«
»Das war was anderes«, platzte Seth heraus. Er stand auf und machte ein paar Schritte auf sie zu.
Donia bewegte sich nicht einmal. Sie blies sanft in seine Richtung und dachte: Eis . Eine Wand aus Eis bildete sich um Seth, wie
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