Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht
auch für dich?«
»Nein. Zumindest ist es für mich nicht das Gleiche.« Sasha bleckte die Zähne und legte die Ohren an, womit er Ashlyn ebenso begrüßte, wie er einst Donia begrüßt hatte. Er wusste, dass Ashlyn – trotz der negativen Schwingungen, die gerade von ihr ausgingen – nichts Böses im Sinn hatte.
Sie stand da und leuchtete fast genauso wie Keenan, wenn er wütend war. »Was meinst du damit?«, fragte sie.
»Ich bin weder König noch Dame, sondern ein Bauer«, erwiderte Donia achselzuckend.
Ashlyn verstummte. Ihre Wut war ebenso schnell verraucht, wie sie gekommen war.
Genauso sprunghaft wie er.
Ashlyn kaute einen Moment schweigend an ihrer Unterlippe. »Von Bauer zu Bauer: Hilfst du mir?«
»Natürlich. Bin schon dabei.«
Um nicht mehr in die schreckliche Helligkeit schauen zu müssen, die ihr in den Augen wehtat, ging Donia zu ihrem alten Schrank hinüber und öffnete ihn. Zwischen ihrer Alltagskleidung hingen Sachen, für die sie keine Verwendung hatte: samtene Oberteile mit atemberaubend schönen Stickereien; schimmernde Blusen, die aussahen wie ein Netz aus Sternen; aus Seidentüchern geschneiderte Kleider, die ebenso viel enthüllten, wie sie verbargen; Lederkleidung jedweden Stils – alles, was ein Mädchen sich wünschen konnte.
Sie nahm ein blutrotes Bustier heraus, das ihre Vorgängerin Liseli auf dem Ball zur Sommersonnenwende getragen hatte, ein Jahr nachdem sie Wintermädchen geworden war. Er hat geweint, Tränen aus Sonnenlicht hat er vergossen , hatte sie Donia erzählt. Zeig ihm, was er niemals mehr haben kann.
So hartherzig hatte Donia nie sein können, obwohl sie es sich oft wünschte.
Ashlyns Augen weiteten sich, als sie das Bustier sah. »Was hast du vor?«
»Dir zu helfen.« Donia hängte es wieder weg und hielt ihr ein merkwürdiges metallenes Oberteil hin, auf das schwarze Edelsteine genäht waren.
Ashlyn schob es missmutig von sich weg. »Das soll eine Hilfe sein?«
»Ja, ist es.« Dann entdeckte Donia es, das Kleidungsstück, das zu Ashlyn passte: ein Renaissance-Hemd, das in eine Bluse umgeändert worden war, blendend weiß mit einem tiefroten Band, das von der Brust bis zur Taille lief. »Elfen sind leicht durch selbstbewusstes Auftreten zu beeindrucken. Das hab ich zu spät begriffen. Du musst ihm zeigen, dass du nicht unterwürfig bist, dass du dich nicht herumkommandieren lässt. Geh zu ihm hin – tritt auf wie eine Ebenbürtige, nicht wie eine Untergebene – und sag ihm, dass du verhandeln willst.«
»Aber worüber denn?« Ashlyn nahm die Bluse und befühlte den weichen Baumwollstoff.
»Über eine Art Frieden. Er wird nicht mehr weggehen. Deine Sterblichkeit kehrt nicht zurück. Beginne die Ewigkeit nicht damit, dass du ihn glauben lässt, er könnte über dich bestimmen. Beginne sie damit, dass du ihn aus dem Konzept bringst: Kleide dich für den Kampf.«
Donia sah die Röcke und Kleider durch. Sie wirkten alle zu königlich, zu formell. Ashlyn musste ihm klarmachen, dass sie anders war als die anderen und keineswegs vorhatte, nach seiner Pfeife zu tanzen. Sie war in einer Welt aufgewachsen, in der Frauen eigene Entscheidungen trafen. »Sei aggressiver als er. Fordere ihn auf, zu dir zu kommen. Und wenn er zu lange braucht, warte nicht. Geh zu ihm.«
Ashlyn stand verloren da und hielt die Bluse im Arm. »Ich bin nicht sicher, ob ich das kann.«
»Dann hast du schon verloren. Deine Modernität ist deine beste Waffe. Nutze sie. Zeig ihm, dass du das Recht hast, mitzuentscheiden. Du weißt jetzt, wer er ist, also fordere ein Gespräch mit ihm. Handel so viel eigenen Spielraum aus, wie du ihm abringen kannst.« Donia zog eine elegante, moderne Hose aus dem Schrank. »Geh und zieh dich um. Dann reden wir weiter.«
Ashlyn nahm die Hose mit zitternder Hand entgegen. »Hab ich denn überhaupt eine Chance zu gewinnen?«
»Die Sommermädchen glauben, sie hätten gewonnen.« Donia sagte es nur ungern, aber es stimmte. Die Mädchen waren glücklich: Sie betrachteten ihre Abhängigkeit nicht als Bürde.
Ashlyn drehte die Baumwollbluse in ihrer Hand, wrang sie wie ein nasses Tuch. »Was ist die Alternative? Es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben.«
Donia schwieg. Sie legte eine Hand auf Ashlyns Handgelenk, schüttelte ihren Zauber ab und offenbarte den Schnee, der in ihren Augen fiel. »Mich.«
Obwohl die Winterkälte für Sommerelfen – zu denen sie nun gehörte – schrecklich war, schaute Ashlyn nicht weg.
Also ließ Donia die Kälte
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