Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
Mühe, ätzende Kommentare zu unterdrücken und den Fluchtgedanken zu widerstehen. Was dumm ist.
Er ging schweigend an Quinn vorbei und blieb auch auf dem Weg zum Crow’s Nest stumm, wo er Niall traf, der vor der Tür auf ihn wartete. Der König der Finsternis lehnte an der Wand, rauchte eine Zigarette und klopfte mit dem Fuß den Rhythmus irgendeiner Musik, die drinnen spielte. Anders als Keenan und Ashlyn hatte Niall keine Wachen, die ihn begleiteten oder in der Nähe herumlungerten. Er war allein – und er war ein sehr willkommener Anblick.
Quinn hatte nur verächtliche Blicke für Niall übrig. »Er gehört nicht mehr zu unserem Hof.«
Niall stand einfach nur da und schwieg, während Quinn ihn finster ansah. Er hatte sich verändert, seit er zum König der Finsternis geworden war; der augenfälligste Unterschied war, dass er seine früher kurz geschorenen Haare wachsen ließ. Aber das war nicht die eigentliche Veränderung – an Keenans Hof hatte Niall sich stets mit großer Umsicht bewegt, als wäre es unerlässlich, ständig auf potenzielle Gefahren vorbereitet zu sein, ganz egal, wo sie sich aufhielten. Selbst in der Sicherheit des Lofts war Niall stets wachsam gewesen. Jetzt sprach Entspanntheit aus seiner Haltung. Seine lässige Nonchalance drückte aus, dass ihm nichts etwas anhaben konnte – was auch in hohem Maße zutraf. Die Oberhäupter der Höfe konnten nur von anderen regierenden Monarchen oder einigen außergewöhnlich einflussreichen ungebundenen Elfen verwundet werden. Niall war, wie Ashlyn, nahezu immun gegen tödliche Verletzungen.
Mit gesenkter Stimme fügte Quinn hinzu: »Du kannst dem Hof der Finsternis nicht trauen. Unser Hof pflegt mit seinem keinen Umgang.«
Seth schüttelte den Kopf, obwohl er beinahe lächeln musste. Nialls absichtlich provokative Haltung, Quinns Art, sich so zu positionieren, als müsste er auf einen Angriff gefasst sein – noch vor wenigen kurzen Wochen hätte Niall ganz genauso auf den vorherigen König der Finsternis reagiert. Es ist alles relativ. Niall hatte sich verändert. Oder vielleicht hatte er auch schon immer gern Streit provoziert und es war Seth bloß nicht aufgefallen.
Seth sah Niall direkt an. »Hast du vor, mir was anzutun?«
»Nein.« Niall strafte Quinn mit einem tödlichen Blick. »Außerdem kann ich dich weitaus besser beschützen als Keenans Speichellecker.«
Quinn schnaubte vor Wut, sagte aber nichts.
»Anderswo ist es für mich auch nicht sicherer als hier. Ganz im Ernst«, sagte Seth ruhig und ohne ein Zeichen von Belustigung oder Verärgerung zu Quinn. »Niall ist mein Freund.«
»Was, wenn …«
»Mein Gott, jetzt geh schon«, unterbrach Niall ihn und stolzierte mit einer Drohgebärde auf sie zu, die nur allzu gut zu ihm passte. »Seth passiert nichts, wenn ich dabei bin. Ich bringe keinen Freund in Gefahr. Es ist dein König, der gedankenlos mit seinen Freunden umgeht.«
»Ich nehme nicht an, dass unser König dem zustimmen würde«, entgegnete Quinn. Er sprach nur zu Seth und sah auch nur ihn an.
Seth zog eine Augenbraue hoch. » Ich habe keinen König. Ich bin sterblich, schon vergessen?«
»Ich werde es Keenan melden müssen.« Quinn wartete ein paar Sekunden, als müsste Seth diese Drohung irgendwie beeindrucken. Als sie es offensichtlich nicht tat, drehte er sich um und ging.
Kaum war er außer Sichtweite, verschwand auch der bedrohliche Ausdruck von Nialls Gesicht. »So ein Idiot. Ich fasse es nicht, dass Keenan ihn zum Berater erhoben hat. Er ist ein Jasager ohne jeglichen moralischen Kompass und …« Er unterbrach sich selbst. »Was geht’s mich an. Komm.«
Er öffnete die Tür und sie tauchten in die alles verschluckende Düsternis des Crow’s Nest ein. Die Luft war auf eine angenehme Art feuchtkalt – und es gab weder Vögel im Sturzflug noch herumtollende Sommermädchen. Hier fühlte Seth sich wohl. Als seine Eltern noch in der Stadt gewesen waren, hatte er hier mit seinem Vater viele Nachmittage verbracht. Genau genommen war er im Crow’s Nest praktisch aufgewachsen. Es hatte sich einiges verändert, doch Seth sah noch genau vor sich, wie seine Mom hinter dem Tresen gestanden und jedem Dummkopf die passende Antwort gegeben hatte, der den Fehler machte, sie für eine leichte Beute zu halten. Wie ein Bulldozer. Linda war sehr zierlich, glich ihre fehlende Größe aber durch ihr Temperament aus. Erst mit fünfzehn hatte Seth kapiert, dass die Arbeit seines Vaters in der Bar nur ein Vorwand war, um in
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