Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
er ihren Kopf mit einer Hand herunterdrückte und sich mit seinem Gewicht auf sie stützte. In dieser Stellung presste er die reglose Elfe mit seinem Körper auf den Boden.
Sie wandte ihm ihr blutverschmiertes Gesicht zu, und die beiden starrten sich in die Augen.
Seth war unbehaglich zu Mute. Er wandte den Blick ab und bemerkte, dass die Kellnerin neben ihm stand und etwas sagte.
»Was?«
»Niall«, wiederholte die Kellnerin. »Ich hab gar nicht gesehen, dass er gegangen ist. Kommt er noch mal wieder?«
Seth stutzte, doch dann fiel ihm wieder ein, dass sie die Elfen ja nicht sehen konnte. Nur er sah diesen Kampf. Nur er sah sie blutverschmiert und ineinander verschlungen am Boden liegen. Er nickte. »Ja. Er kommt gleich wieder.«
Die Kellnerin warf ihm einen fragenden Blick zu. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja. Du … hast mich bloß erschreckt.« Er grinste. »Tut mir leid.«
Sie nickte und ging zu einem anderen Tisch.
Hinter sich hörte er Niall sagen: »Meine Liebe?«
Seth drehte sich um und sah, wie Niall aufstand und der Elfe die Hand reichte. »Ist die Sache jetzt erledigt?«
»Mmmm. Unterbrochen. Nicht erledigt. Niemals, solange du nicht tot bist.« Sie nahm seine Hand und erhob sich mit dieser flüssigen Anmut, die so vielen Elfen eigen war, vom Boden. Ihr Blick ging ins Leere, während sie vorsichtig ihre Wange betastete. »Das war gut, mein König.«
Der König der Finsternis nickte. Er ließ sie nicht aus den Augen.
»Ich komme heute Abend zu dir«, flüsterte sie, was ebenso gut eine Drohung wie ein Angebot sein konnte.
Dann drehte sie ihren Kopf in einer Abfolge von kurzen ruckartigen Bewegungen, bis sie zielsicher jede der sechs Elfen mit den roten Handflächen ausfindig gemacht hatte. Sie bewegten sich gleichzeitig auf sie zu, und ohne dass noch ein weiteres Wort fiel, verschwand die Truppe so plötzlich, wie sie gekommen war.
Niall sah Seth an. »Bin sofort wieder da.«
Er verließ ebenfalls den Raum. Seth blieb sprachlos über diesen willkürlichen Gewaltakt zurück und wusste nicht, was er davon halten sollte.
Dann bemerkte er, dass noch jemand den Kampf mit angesehen hatte: Ein für Sterbliche ohne Sehergabe unsichtbarer Elf starrte ihn von der anderen Raumseite aus an. Er hatte seine widerspenstigen weißen Haare zurückgebunden und am Hinterkopf in einem kleinen Knoten festgesteckt. Seine Gesichtszüge waren klar und so kantig, dass sie wie gemeißelt wirkten. Es wäre eine andere Art von Skulptur als die, die Seth normalerweise schuf, aber es juckte ihm sofort in den Fingern und er hätte gern einen dunklen Felsblock gehabt, um zu versuchen ein Gegenstück herauszumeißeln. Der bleiche Elf stand weiter einfach nur da und starrte herüber, so dass Seth sich fragte, ob er überhaupt lebendig war. Er verharrte so reglos auf der Stelle, dass er tatsächlich das perfekte Bild einer Statue abgab.
Als Niall wenige Minuten später zurückkehrte, war er nicht mehr so blutverschmiert. Er verbarg den Zustand seiner Kleider und die Schnittwunden in seiner Haut durch einen Zauber, so dass Seth der einzige Sterbliche im Raum war, der eine Veränderung bemerkte.
Nachdem er sich wieder an den Tisch gesetzt hatte, fragte Seth ihn: »Kennst du den?«
Niall folgte Seths Blick zur anderen Raumseite, wo der statuenhafte Elf stand. »Leider ja.« Niall nahm ein Zigarettenetui aus der Tasche und fischte eine Zigarette heraus. »Devlin ist Sorchas ›Friedenswächter‹ oder ihr Schläger, je nachdem, wie man’s sieht.«
Der Elf Devlin lächelte sie ruhig an.
»Aber ich bin nicht in der Stimmung, mich mit ihm abzugeben«, fügte Niall hinzu, ohne Devlin aus den Augen zu lassen. »Heutzutage sind nur sehr wenige Elfen stark genug, um es mit mir aufzunehmen. Sorcha gehört dazu. Und er bedauerlicherweise auch.«
Seth fragte sich, wie der Tag plötzlich eine so negative Wendung nehmen konnte, und warf noch einen raschen Blick auf Devlin. Er kam an ihren Tisch.
Der Elf blieb, weiterhin unsichtbar, vor ihnen stehen und sagte zu Niall: »Es steht Ärger ins Haus, mein Freund. Sorcha ist nicht die einzige Zielscheibe.«
»Ist sie das überhaupt jemals?« Niall klappte sein Feuerzeug auf.
Devlin zog ungefragt einen Stuhl heran und setzte sich zu ihnen. »Sorcha hat dich mal sehr gemocht. Das sollte selbst dir nicht egal sein. Was sie braucht, ist …«
»Ich will es nicht wissen, Dev. Du siehst doch, was ich jetzt bin …«
»Dazu in der Lage, deinen eigenen Weg zu gehen.«
Niall lachte.
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