Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
Geschichte ein böses Ende nehmen.«
Er drückte einen sanften Kuss auf ihre Lippen und sagte dann: »Ich träume noch immer, du wärst es. Egal, wie viele ich umworben habe, in meinen Träumen warst immer du diejenige, die dazu bestimmt war, meine Königin zu werden.«
»Und ich wäre es, wenn ich die Wahl hätte. Aber die habe ich nicht. Du musst auf mich verzichten oder einen Weg finden, dich von ihr zu distanzieren.«
Er zog sie näher an sich. »Ganz gleich, was passiert, ich möchte nicht auf dich verzichten. Niemals.«
»Das ist das nächste Problem.« Sie beobachtete, wie auf den Stufen neben ihr das Eis wuchs. »Ich bin nicht für den Sommer gemacht, Keenan.«
»Ist es so falsch, dass ich eine Königin haben will, die mich liebt?«
»Nein«, flüsterte sie. »Aber es geht nicht, dass du zwei Königinnen haben willst, die dich lieben.«
»Wenn du meine Königin wärst …«
»Aber ich war nicht die Richtige.« Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter.
So saßen sie, vorsichtig aneinandergelehnt, bis der Morgen kam.
Vier
Nachdem sie ihr Fasten gebrochen hatte, hatte Sorcha nach Devlin gerufen, und erwartungsgemäß war er innerhalb von Sekunden zur Stelle. Während ihres ewigen Zusammenseins war ihr Bruder nie etwas anderes gewesen als zuverlässig und berechenbar.
Er blieb wortlos in der Tür stehen, während sie den großen Saal durchmaß. Geräuschlos erklomm sie mit ihren nackten Füßen das Podium und ließ sich auf dem frei stehenden silberglänzenden Thron nieder. Von diesem Punkt aus entfaltete der riesige Saal erst seine Schönheit; seine Bauweise folgte einer Symmetrie, die dem Auge des Betrachters schmeichelte. Dieser Raum – und nur dieser – war ihr nicht zu Willen. Der Saal der Wahrheit und der Erinnerung war unempfänglich für jede Art von Magie – außer seine eigene. Früher, als der Hof der Finsternis noch im Elfenreich residiert hatte, war dies der Ort gewesen, an dem Streitigkeiten zwischen den Höfen beigelegt wurden. Früher, als sie sich das Elfenreich noch geteilt hatten, wurden an diesem Ort Opfer dargebracht. Seine schiefergrauen Steine bewahrten die Erinnerung daran und an vieles andere mehr.
Sorcha ließ ihre Füße über das kühle Erdreich und das Gestein gleiten, auf denen ihr Thron errichtet war. Wenn man ewig lebte, trübte sich die Erinnerung zuweilen. Die Erde half ihr, sich aufs Elfenreich zu konzentrieren; das Gestein verband sie mit der Wahrheit des Saals.
Devlin rührte sich immer erst von der Stelle, wenn sie Platz genommen hatte. In gewisser Weise war Sorchas Festhalten an Ordnung und Regeln unverzichtbar für ihn. Die Struktur half ihm, auf dem Weg zu bleiben, den er gewählt hatte. Für sie war Ordnung etwas, das sie instinktiv anstrebte, für ihn dagegen eine Entscheidung, die er mit jedem Atemzug jeden Tages immer wieder neu traf.
Die Worte waren Routine, aber er sagte sie trotzdem: »Empfängst du Besucher, Mylady?«
»Ja, ich empfange.« Sie zog ihren Rock zurecht, so dass er ihre nackten Fußspitzen verbarg. In ihren Händen und auf ihren Wangen schimmerten silberne Fäden; sie schimmerten auch an anderen Stellen, die sie gelegentlich enthüllte, doch ihre nackten Füße blieben stets bedeckt. Das Zeugnis für die Natur ihrer Verbindung zu diesem Saal war nichts, was sie ihrem Hof zeigen wollte.
»Darf ich näher kommen?«
»Immer, Devlin«, versicherte sie ihm wieder, so wie sie es schon länger tat, als seine oder ihre Erinnerung zurückreichte. »Du brauchst nicht zu fragen, du bist immer willkommen.«
»Dein Vertrauen ehrt mich.« Er senkte den Blick auf ihre verborgenen Füße. Er kannte die Wahrheit, die sie mit niemandem sonst teilte. Die Vernunft sagte ihnen beiden, dass ihr Vertrauen in ihn eines Tages ihren Sturz bewirken würde. Die Vernunft sagte aber ebenso, dass es keine Alternative gab: Durch ihr Vertrauen sicherte sie sich seine Loyalität.
Und bislang sind wir nicht gestürzt.
Er war ihr Auge und ihre rechte Hand im Reich der Sterblichen. Er war ihre Gewalt in Zeiten, wo sie nötig war. Doch er war auch Bananachs Bruder – eine Tatsache, die keiner von ihnen dreien jemals vergaß. Devlin traf sich regelmäßig mit ihrer Schwester; er mochte die verrückte Rabenelfe, auch wenn ihre Ziele gänzlich ohne Ordnung und Regeln waren. Wegen seiner Zuneigung zu ihr konnte kein noch so aufopferungsvoller Dienst Sorchas Zweifel an seiner Loyalität ersticken.
Wird er sich eines Tages auf ihre Seite schlagen? Tut er es jetzt
Weitere Kostenlose Bücher