Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
bei der sich Ashlyn die Nackenhaare aufstellten.
Vor einer geschlossenen Tür blieb die Weißdornelfe stehen. Sie machte keine Anstalten, sie zu öffnen.
»Muss ich anklopfen?«, fragte Ashlyn.
Doch das Mädchen drehte sich um und schwebte davon.
»Sehr hilfreich.« Ashlyn hob gerade ihre Hand, als die Tür sich von innen öffnete.
»Komm herein.« Evan gab ihr ein Zeichen einzutreten.
»Hallo, Evan.«
»Meine Königin möchte unter vier Augen mit dir sprechen«, sagte er, gefolgt von einem freundlichen Lächeln, das sein Gesicht in Falten legte und Ashlyn ein wenig entspannte. Seine beerenroten Augen waren ebenso auffällig wie bei den Weißdornelfen. Doch während die Haut der Weißdornelfen grau war wie die Asche eines erlöschenden Feuers, waren Ebereschenelfen wie Evan ein Bild der Fruchtbarkeit. Seine graubraune, rindenartige Haut und seine dunkelgrünen, an Blätter erinnernden Haare ließen einen an frei über die Erde wandelnde Bäume denken. Sie waren Kreaturen des Sommers, ihres Hofs. Es beruhigte sie, ihn zu sehen.
Aber er verließ bereits den Raum, und Ashlyn war allein mit Donia und Sasha, ihrem Wolf.
»Donia«, begann Ashlyn, doch plötzlich fielen ihr keine Worte mehr ein, die sie hätte sagen können.
Die Winterkönigin machte es ihr auch nicht leichter. Sie stand einfach da und sah Ashlyn an. »Ich nehme an, er hat dich geschickt.«
»Er würde lieber selbst mit dir sprechen.« Ashlyn fühlte sich in dem großen, wenig einladenden Raum wie ein kleines Kind, doch Donia hatte ihr weder einen Platz angeboten noch selbst Anstalten gemacht, sich zu setzen, also blieb sie stehen. Der Teppich unter ihren Füßen war in einem gedeckten Grün gehalten und wirkte, obwohl fast schon fadenscheinig, immer noch opulent. Ashlyn vermutete, dass er besser in einem Museum hängen sollte, als täglichem Gebrauch ausgesetzt zu sein.
»Ich habe Evan aufgetragen, ihm den Zutritt zu verweigern.« Donia trat weiter von Ashlyn weg, hielt eine übertriebene Distanz zu ihr.
Es verunsicherte sie, dass die Winterkönigin lieber außer Reichweite blieb.
»Darf ich fragen warum?«
»Darfst du.« Donia wirkte ungewöhnlich unnahbar.
Ashlyn zwang sich, ihre Verärgerung und ihren Anflug von Furcht beiseitezuschieben. »Okay. Dann frage ich hiermit.«
»Ich möchte ihn nicht sehen.« Donia lächelte, und Ashlyn erschauderte.
»Hör zu. Wenn du möchtest, dass ich gehe, dann sag es mir einfach. Ich bin hier, weil er mich darum gebeten hat und weil ich dich mag.« Ashlyn verschränkte die Arme vor der Brust, um nicht nervös herumzugestikulieren und um die Hand nicht nach einer der zarten Schneekugeln auf dem Wandregal auszustrecken und sie zu zerbrechen. Sie hatte nicht erwartet, dass Donia so etwas besaß, aber dies war wohl kaum der Zeitpunkt, sie dazu zu befragen. Irgendetwas an Donias Benehmen war seltsam, und Ashlyn spürte, dass sie auf eine untergründige Bedrohung reagierte.
»Deine Erregbarkeit ist immer leichter zu erkennen, je stärker der Sommer wird.« Donias Miene zeigte unverwandt dieses kalte Lächeln. »Wie bei ihm. Du siehst sogar aus wie er mit diesem pulsierenden Leuchten unter deiner Haut.«
»Keenan ist mein Freund.« Ashlyn biss sich auf die Lippe und bohrte ihre Finger fester in ihre Arme, nicht aus Nervosität, sondern um sich durch den leichten Schmerz selbst zu erden.
Die Winterkönigin trat noch weiter von ihr weg. Sie blieb am Fenster stehen und fuhr mit einem Finger über die Glasscheibe. Sofort bildeten sich Eisblumen darauf. Sie sah Ashlyn nicht an, als sie zu sprechen begann: »Ihn zu lieben, ist wie eine Wunde. Er ist alles, wovon ich jemals geträumt habe. Wenn wir zusammen sind« – sie seufzte, eine Wolke aus gefrierender Luft, die winzige Eiszapfen an den Vorhängen hinterließ –, »ist es mir egal, dass er mich verbrennen könnte. In diesen Momenten wäre es mir sogar willkommen. Ich würde Ja sagen, selbst wenn es mein Ende bedeuten würde.«
Ashlyns Wut verflog und sie errötete. Auf diese Art von Gespräch mit Donia war sie nicht vorbereitet.
Donia wandte sich nicht um, während sie fortfuhr: »Ich habe mich schon gefragt, ob das der Grund war, warum Miach und Beira nicht nebeneinander bestehen konnten. Ich sehe es, die Geschichte ist bereit, sich zu wiederholen. Glaub nicht, dass mir das nicht bewusst ist, Ash.«
Die Winterkönigin drehte sich mit dem Rücken zum Fenster und lehnte sich dagegen, eingerahmt von der Spitzenborte aus Eis, mit der sie die Scheiben
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