Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
bestimmt.« Keenan lächelte traurig. »Ich irre mich nicht, und ich werde dir nicht helfen, einen solchen Fehler zu begehen.«
Sie rannte fast aus dem Zimmer.
Und wie damals, als sie noch eine Sterbliche gewesen war, brauchte sie die Hilfe der Elfe, die Keenan liebte. Wenn Donia ihm verzieh, welchen Fehler er auch immer begangen hatte, würde ihn das davon überzeugen, dass die Liebe alles wiedergutmachen konnte. Dann würde er ihr vielleicht helfen. Zumindest würde er aufhören, ihr nachzustellen. Donia musste mit Keenan zusammen sein.
Alles wird gut, wenn Donia ihn nur zurücknimmt.
Den Weg zu Donias Haus nahm sie gar nicht richtig wahr. Erst als Ashlyn in einer ruhigen Straße am Stadtrand ankam, gestand sie sich die vielen Ängste ein, die sie quälten. Sie fürchtete sich nicht nur davor, dass Donia Keenan für immer den Laufpass geben könnte, sondern auch davor, was passieren würde, wenn sie das prachtvolle viktorianische Anwesen der Winterkönigin betrat. Sie pflegten eine vorsichtige Freundschaft, aber das hieß nicht, dass Donia nicht auch Furcht einflößend sein konnte. Der Winter war schmerzhaft, und in Donias Haus herrschte immer Winter.
Winterelfen bewegten sich lautlos durch den dornenreichen Garten; vereiste Bäume und Büsche ließen das Grundstück zwischen seinen grünen Nachbarn deplatziert wirken. Während sie die Straße entlangging, sah Ashlyn Hunde, die faul auf Treppenstufen lagen, ein Mädchen, das sich in träger Glückseligkeit sonnte, und mehr Blumen, als sie in ihrem gesamten Leben hatte wachsen sehen. Beiras Tod und Keenans Entfesselung hatten zu einem Gleichgewicht geführt, das das Leben aufblühen ließ. Doch in diesem Garten würde der Frost niemals tauen; vorbeikommende Sterbliche würden weiter ihren Blick abwenden. Niemand – ob Sterblicher oder Elfe – betrat den eisigen Rasen der Winterkönigin ohne ihre Erlaubnis. Keenan hatte sie die Zustimmung verweigert. Was mache ich dann hier?
Keenan brauchte Donia; sie liebten sich, und Ashlyn musste sie daran erinnern. Ehemals Sterbliche konnten Elfen lieben.
Als Ashlyn den Garten durchquerte, taute das frostige Gras unter ihren Füßen. Sie hörte, wie sich das Eis hinter ihr mit einem Knistern sofort neu bildete. Das hier war Donias Reich. Der Ort, an dem sie am stärksten war. Und ich am schwächsten bin . Nachdem Beira ihn über Jahrhunderte zum Sitz ihrer Macht erklärt hatte, existierte dieser Ort sowohl innerhalb des Elfenreichs als auch im Reich der Sterblichen, etwas, das Keenan nicht geschafft hatte – bis heute.
Sie spürte ein unangenehmes Kribbeln auf der Haut, während sie durch diese eisige Welt schritt. Ashlyn war ein Eindringling, und der Winter war ebenso unberechenbar wie der Sommer. Donia würde das wahrscheinlich von sich weisen, doch Ashlyn hatte es ihr Leben lang vor dem scheinbar endlosen Wüten des Schnees geschaudert. Sie hatte die Leichen Erfrorener in den Seitenstraßen gesehen; ihre leblosen Schmerzensmienen gehörten zu den Dingen, die sie nie vergessen würde. Ashlyn hatte gespürt, wie weh das Eis tat, das die letzte Winterkönigin im Kampf gegen sie und Keenan als Waffe benutzt hatte.
Das war nicht Donia , erinnerte Ashlyn sich selbst, aber es nützte nichts. Irgendetwas an dem starken Gegensatz zwischen ihren Höfen weckte in Ashlyn den Wunsch, Keenans Hand in ihrer zu spüren, doch er war nicht da.
Als Ashlyn die Veranda betrat, öffnete eine der geflügelten Weißdornelfen die Tür. Die Elfe bewegte sich lautlos. Sie sagte kein Wort, als Ashlyn vor Kälte zitternd eintrat. Sie sagte auch nichts, während sie durch das schwach beleuchtete Haus schwebte.
»Ist Donia zu sprechen?« Ashlyns Stimme hallte in der Stille wider, aber es kam keine Antwort.
Sie hatte auch keine erwartet: Weißdornelfen waren stumm, was ihre beunruhigende Wirkung noch steigerte. Sie entfernten sich nie weit von Donia und verließen das Haus der Winterkönigin normalerweise nur, wenn es notwendig war, um an Donias Seite zu bleiben. Ihre roten Augen glühten wie brennende Kohlenstückchen in ihrem aschgrauen Antlitz.
Das Mädchen führte Ashlyn an mehreren anderen Weißdornelfen vorbei, die sich in der Eingangshalle aufhielten und sie stumm beobachteten. In einem der Zimmer, an denen sie vorbeikamen, prasselte ein Feuer im Kamin; außer dem Knistern und Knacken des Holzes und Ashlyns Schritten auf den alten Holzdielen herrschte Totenstille. Die Winterelfen konnten sich mit einer unheimlichen Ruhe bewegen,
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