Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
Straße gesessen hatte, hatte sie das befürchtet. »Ja, tut mir auch leid.«
»Was tut dir leid? Du hast mich doch um nichts gebeten, was ich nicht erwartet hätte.« Keenans Ton war genauso warm wie seine Tränen, als er sie vom Boden aufgehoben hatte. »Wir werden das alles klären. Jetzt zählt erst einmal nur, dass du zu Hause bist, in Sicherheit, und sobald ich weiß, wer –«
»Donia. Wer sonst?« Ashlyn hob den Kopf und sah ihn an. »Donia hat auf mich eingestochen.«
»Don?« Er erbleichte. »Absichtlich?«
Ashlyn wünschte sich, sie könnte eine Augenbraue hochziehen wie Seth. »Wenn man auf jemanden einsticht, tut man das gewöhnlich nicht aus Versehen, oder? Sie hat mir mit ihren Fingerspitzen Eis in den Bauch getrieben. Kalt genug, um mich krank zu machen …« Sie wollte sich aufsetzen, spürte jedoch, wie die winzigen Wunden sich sträubten. Der Schmerz war nicht mehr so schneidend wie in dem Moment, als Donia zugestochen hatte, doch selbst in seiner abgemilderten Form trieb er ihr Tränen in die Augen. Sie lehnte sich zurück. »Diese Elfen-Heilkunst wird offenbar überschätzt.«
»Das liegt daran, dass es Donia war.« Keenans Stimme war ruhig, aber das Donnergrollen draußen strafte seine Versuche, Ruhe zu bewahren, Lügen. »Sie ist das Gegenstück zu uns, und sie ist eine Königin.«
»Und was jetzt?«
Keenan wurde erneut blass. »Ich möchte keinen Krieg. Das ist nie die erste Wahl.«
Ashlyn ließ die Luft entweichen, die sie angehalten hatte. Auch sie wollte keinen Krieg, vor allem nicht, während ihr Hof so viel schwächer war als der Winterhof. Der Gedanke, ihre Elfen müssten diese Art von Schmerz empfinden, erfüllte sie mit Schrecken. Der Machtwechsel an drei Höfen hatte bereits genügend Unruhe ins Elfenreich gebracht. »Gut.«
»Wenn es jemand anders wäre als Donia, würde ich ihn zur Vergeltung töten, und zwar mit Vergnügen.« Er strich Ashlyns Haare zurück und legte eine Extraportion Sonnenlicht in seine Geste. »Als ich dich dort sitzen sah … sie hat meine Königin angegriffen und damit meinen Hof.«
Ashlyn wehrte sich nicht gegen seine Tröstungen, nicht jetzt. Das Gefühl dieser Kälte in ihrem Körper war noch allzu präsent. Einen kurzen Moment lang wünschte sie sich, sie wären so vertraut, dass sie ihn bitten konnte, sich zu ihr zu legen und sie festzuhalten. Es ging ihr nicht um Sex; sie wünschte sich einfach, dass sich sein Sonnenlicht über sie ergoss. Wärme, Hitze, Sommer, Sonne, heiß. Sie lief trotzdem rot an vor Schuldgefühlen, als sie es dachte. Für ihn würde es etwas anderes bedeuten, und das wollte sie nicht riskieren.
»Ich könnte dir helfen.« Er zeigte verlegen auf ihren Bauch. »Ich hätte es auch schon früher getan, aber ich weiß ja, wie empfindlich du bist, was deine … Intimsphäre angeht … vor allem, seit …«
Sie zupfte an ihrer Bluse. Es war nicht die mit den Blutflecken. »Und wer hat mir das dann angezogen?«
»Siobhan. Sie hat dir die Bluse gewechselt, nachdem ich nach deiner Wunde gesehen hatte. Sie war auch hier – während ich dich untersucht habe. Sie ist dabeigeblieben.«
Ashlyn drückte seine Hand. »Ich vertraue dir, Keenan. Und ich würde das auch tun, wenn du« – sie errötete – »mir die Kleider gewechselt hättest.«
Und es stimmte. Sie mochte sich unbehaglich fühlen wegen seiner Nähe und Aufmerksamkeit, aber sie glaubte nicht, dass er sie dazu bringen würde, etwas zu tun, was sie gar nicht wollte, oder sie vergewaltigen würde. Früher hatte sie ihm das zugetraut, als sie ihn noch nicht gekannt hatte, aber in ihrem tiefsten Herzen glaubte sie das nicht mehr. Donia hatte Unrecht.
»Also? Wie kannst du mich heilen?«, fragte sie.
»Einfach nur mit Sonnenlicht. Genauso, wie du es mit mir gemacht hast, nur mehr davon. Es wird fast genauso langsam heilen, wie bei einer …« Er sprach das Wort nicht aus.
»Sterblichen. Es ist okay, es zu sagen. Ich weiß, was ich bin, Keenan.« Ihr fiel auf, dass sie immer noch seine Hand hielt und sie erneut drückte. »Wenn ich sterblich wäre, wäre ich jetzt tot.«
»Wenn du sterblich wärst, hätte sie dich nicht angegriffen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Wenn dir deine Sommermädchen so am Herzen lägen, würde sie die dann auch angreifen?« Ashlyn hatte nie geglaubt, dass Donia so grausam sein könnte, aber jetzt, da sie mit vier eisigen Schnittwunden in Keenans Bett lag, war es schwer, an diesem Glauben festzuhalten.
Keenan antwortete nicht.
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