Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
sage oder sonst irgendeine höfliche Floskel?« Während ihr Herz immer noch raste, drehte sie ihm den Rücken zu, ging zu ihrem Ross und kuschelte sich daran.
Es hatte sich inzwischen in ein kleineres Tier verwandelt, das nicht mehr als die doppelte Masse seiner normalen Pferdegestalt hatte, einen löwenähnlichen Körper mit einem Reptilienkopf sowie gefiederte Flügel. Es hielt die Flügel eng an seine Seiten gedrückt und lag flach auf dem Bauch, so dass sie sich hätte rittlings daraufsetzen können. Das tat sie nicht, stattdessen schmiegte sie sich noch enger an seinen Körper.
Ich hätte jetzt gern einen Namen, Ani, murmelte es.
»Wenn das hier vorbei ist«, versprach sie ihrem Ross, ohne den Blick von Devlin abzuwenden. »Ich wohne hier. Deine Königin hat hier nichts …«
»Nicht sie hat mich heute zu dir geschickt.« Er stand steif und gar nicht mehr so lässig da wie zuvor, bevor er sie festgehalten hatte. Er erinnerte sie an Dinge, die sie normalerweise schön fand: mörderische Kraft und wohlüberlegte Gewalttätigkeit.
»Ich will nichts mit dem Hof des Lichts zu tun haben.« Innerlich schrie sie, doch ihre Stimme war ruhig. »Geh einfach weg …«
»Hast du vor, Bananach zu helfen?«, fragte Devlin. »Wirst du ihr dein Blut geben?«
»Nein. Ich werde weder ihr helfen noch dem Hof des Lichts.« Ani hatte sich ihr Leben lang geweigert, ihrer Angst nachzugeben; das würde sich auch nicht bloß wegen irgendeines genetischen Zufalls ändern, der ihr Blut offenbar bei allen begehrt machte. Sie richtete sich auf. »Du kannst mich töten, aber ich werde Irial niemals verraten.«
Devlins Miene wurde einen Moment weicher – zu kurz, als dass sie es überhaupt hätte bemerken können, wenn sie nicht daran gewöhnt gewesen wäre, Elfen zu studieren, die ihre Gefühle zu verbergen suchten. Seine Sanftheit war ebenso schnell wieder verschwunden. »Ich verstehe.«
Ani lief erneut ein Schauder über den Rücken. Er hatte gesagt, dass er nicht auf Bananachs Befehl hier war, aber er wusste Bescheid über ihr Blut, wusste, dass Bananach es wollte. Ihr war nicht gerade danach zu Mute, herumzustehen und Fragen zu stellen. Die Stadt zu verlassen schien im Moment wesentlich vernünftiger.
»Wenn das alles ist, dann gehe ich jetzt«, sagte sie.
Sie wollte sich gerade umdrehen, als seine Stimme sie innehalten ließ. »Ich bin der Assassine des Lichthofs. Vertrau mir, wenn ich dir sage, dass es nicht in deinem Interesse ist, vor mir wegzulaufen, Ani.«
Siebzehn
Devlin wartete gespannt, wie Ani reagieren würde. Wenn sie weglief, würde er sie verfolgen. Trotz der Ewigkeit, die er schon an den Hof seiner Schwester gebunden war, hatte er diesen speziellen Instinkt noch nicht gebändigt. Als die Blutige Hand der Königin des Lichts konnte er dem Drang gelegentlich nachgeben, ohne Strafen fürchten zu müssen. Aber dann folgte er einem Auftrag – und am Ende der Jagd stand in solchen Fällen der Tod. Aus Vergnügen zu jagen, Ani zu jagen, war ein höchst verlockender Gedanke.
Sie lief nicht weg. Stattdessen schob sie die Hüfte vor und sah ihn wütend an. »Hast du eigentlich auch nur den Hauch einer Vorstellung davon, was passiert, wenn du mich umbringst?!«
Amüsiert beobachtete er, wie sie ihn mit jedem Wort, mit jeder Geste herausforderte. »Sag du es mir«, erwiderte er.
»Irial, Gabriel, Niall – sie wären alle hinter dir her.« Sie stemmte die Hände in die Hüften, reckte das Kinn und schob die Schultern zurück.
»Mit dieser Haltung lädst du förmlich zum Angriff ein.« Er wies auf ihre Hände. »Die Fußstellung ist allerdings ganz gut.«
»Was?«
»Deine Füße. Das ist ein stabiler Stand für den Fall, dass ich dich attackiere«, erklärte er. Er wollte sie trainieren. Er hatte ihr Blut gekostet: Er wusste, dass sie auf dem besten Weg war, einem Gabrielhund ebenbürtig zu werden, was ihre Kraft anging.
»Hast du das denn vor? Mich anzugreifen?«
»Nein, ich möchte mit dir reden. Das ist ein bisschen zivilisierter«, antwortete er.
»So, so. Du willst eine zivilisierte Unterhaltung, nachdem du mir nachspioniert, mich gepackt und so getan hast, als wolltest du mich umbringen. Anscheinend bist du wohl doch vom Hof des Lichts.« Sie schüttelte den Kopf und sah ihr Ross an. Es drückte seine immer noch reptilienartige Schnauze an ihre Schulter, während sie sprach. Was auch immer sie miteinander besprachen, blieb ihm verborgen.
Er wartete.
»Gut, dann lass uns reden.« Sie spannte sich an,
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