Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
erzählt.«
Rae berührte ihn am Arm und er blickte sie an.
»Was hat sie dir nie erzählt?«, fragte Rae.
»Ihre Geheimnisse.« Devlin sah erst Raes Hand an, dann wieder das Haus. »Aber ich ihr meine auch nicht.«
Rae legte ihre andere Hand an seine Wange. »Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass es Sorcha war, als ich sie getroffen habe. Es tut mir so leid.«
Er schüttelte den Kopf. »Es ging ihr schon vorher nicht gut. Deshalb hat sie mir ja befohlen, in der Welt der Sterblichen zu bleiben. Ich hätte … Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was ich hätte tun sollen. Wie konnte mir entgehen, dass sie einen Sohn hat?«
Er klang verloren, und Rae wusste nicht, wie sie ihm helfen konnte. Sie brachte es nicht fertig, ihn anzulügen und zu versprechen, dass alles gut würde. Ihn nicht.
»Ich würde alles wieder gutmachen, wenn ich könnte«, murmelte sie. Ihre Hand lag noch an seinem Gesicht, aber er schob sie nicht weg wie sonst, wenn sie ihm ihre Zuneigung zeigte. »Ich kann nichts tun. Sie hat befohlen, dass nur du oder Seth sie wecken dürfen. Ich habe versucht, mit ihr zu reden. Ich bin zu ihr gegangen und … es ist ihr egal. Sie ist die Königin der Ordnung, aber es scheint sie überhaupt nicht zu kümmern.«
»Ist es falsch, etwas anderes zu wollen als das Leben, das man hat?« Devlin lehnte seinen Kopf an ihren. »Das ist es, was Sorcha getan hat, nicht wahr?«
»Ja.« Rae sprach leise und sanft. »Aber sie denkt nicht an die Leben, die von ihr abhängig sind.«
Devlin lachte freudlos. »Ich werde das Elfenreich nicht im Stich lassen. Das habe ich nie getan.«
»Ich weiß.« Rae lächelte ihn an. »Du bist anders als sie. Stärker.«
»Nein, bin ich nicht. Ich verstehe, was Sorcha tut. Die Liebe macht einen dumm. Sie sorgt dafür, dass man auch noch den letzten Rest Logik über Bord wirft und dumme Dinge tut, gefährliche Dinge.« In seinen Augen blitzten farbige Schimmer auf, während er sprach. »Es geht um sie. Ani. Sie ist das neue Leben, das ich möchte. Für sie könnte ich die Welt ins Chaos stürzen.«
»Nein.« Rae legte ihre Hände auf seine Schultern, bevor er sich entziehen konnte. »Selbst in dieser Situation würdest du an das Wohlergehen des Elfenreichs denken. Anders als Sorcha hast du die Ewigkeit damit verbracht, Leidenschaften und die Anforderungen des Alltags auszubalancieren. Wenn du ein König wärst, würdest du immer noch deinen Hof beschützen. Ebenso wie sie es täte, wenn es ihr nicht so schlecht ginge.«
Devlin sah Rae eine Zeit lang einfach nur schweigend an, dann sagte er: »Du hast mich in der Welt der Sterblichen in einem Traum aufgesucht … wegen Ani.«
Rae trat einen Schritt zurück.
»Du hast Geheimnisse vor mir, Rae«, sagte er. Sie öffnete den Mund, um zu antworten, doch er wehrte ab. »Ich weiß, dass es so ist, und ich frage dich nicht, was du mir verheimlichst. Aber ich muss wissen, ob Ani mit mir im Elfenreich sicherer ist oder hier ohne mich.«
»Das kann ich dir nicht sagen«, flüsterte Rae. »Sie ist wichtig. Vergib mir für alles, was ich nicht sagen darf, aber … bring ihr deine Wertschätzung entgegen. Sie ist gefährlich, tödlich, aber unverzichtbar. Ich würde mein Leben hingeben … jedenfalls das, was noch davon übrig ist … damit sie an deiner Seite bleiben kann. Schenk ihr dieselbe Zuneigung, die du, wie ich weiß, für mich hegst.«
Devlin starrte sie an, als wollte er ihre Geheimnisse von ihrer Haut ablesen. Dann nickte er. »Was passiert, wenn du ins Elfenreich zurückgehst?«
»Das hängt davon ab, ob noch etwas übrig ist, wohin ich zurückkehren könnte«, gestand Rae. »Es verschwindet zu schnell, als dass man das vorhersagen könnte. Ich bin nicht sicher, wie lange es noch bestehen wird, wenn sie nicht aufwacht.«
»Ich werde ihren … Sohn aufspüren.« Devlins Tonfall verriet, dass er wütend war. »Geh zurück und versuche, mit ihr zu reden. Sag ihr, dass ihr Sohn auf dem Heimweg ist, dass ihr Bruder ihr das Kind bringt, das sie haben will. Sag ihr, dass ihr Sohn vielleicht nicht zu ihr kommen kann, wenn das Elfenreich nicht mehr so ist, wie es sein sollte.«
Rae konnte nicht auf Devlins Wut reagieren. Sie wusste, dass die Königin des Lichts eine Menge getan hatte, um Devlin von sich wegzustoßen, aber das war neu, die Wut war ungewohnt. Die Dinge waren im Fluss. Und obwohl Rae sie nicht alle verstand, hegte sie die Hoffnung, dass sie zu der Zukunft führten, auf die sie so kurz einen Blick hatte werfen
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