Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
einen Hand noch immer das Breitschwert, mit der anderen wischte er sich Blut und Schweiß aus dem Gesicht. »Seth hat gesagt, wir könnten sie töten, ohne dass wir alle sterben müssen. Ich war mir nicht sicher, ob das stimmt.«
Far Dorcha gluckste.
»Wo ist er?« Ashlyn drohte die Fassung zu verlieren. »Ich habe schon während … während … Ist er …? Wo ist er?«
»Als ich herkam, habe ich eine Barriere errichtet, um Seth in Sicherheit zu bringen«, erklärte Niall. »Ihm ist nichts passiert, Ash. Bananach konnte nicht an ihn heran.«
Niall und Far Dorcha wechselten einen merkwürdigen Blick, aber Ashlyn wollte gar nicht wissen warum. Später vielleicht, aber jetzt musste sie sich zwei weiteren dringenden Angelegenheiten zuwenden. Sie nickte Niall zu und rief dem Todeselfen, der sich bereits abgewandt hatte, hinterher: »Far Dorcha?«
Er blieb stehen. Seine Miene war nicht leichter zu deuten als bei ihrer ersten Begegnung, doch sie glaubte, einen Hauch von Bedauern darüber hinweghuschen zu sehen.
»Du hast mir einen Tausch angeboten, als wir uns das letzte Mal trafen«, erinnerte sie ihn. »Ich weiß jetzt, was ich will.«
»Worum bittest du mich?«
»Um alles, was Keenan und Donia jetzt benötigen«, sagte sie. »Falls nötig, schulde ich dir einen Gefallen«, sagte sie. »Keinen Tod, aber ich würde mich in deine Schuld begeben, wenn es nicht anders geht.«
Far Dorcha sah sie an, sagte aber nichts. Stattdessen nickte er und schlenderte langsam davon.
Achtunddreißig
Wenn er noch einmal von vorne beginnen müsste, würde er nichts anders machen, dachte der Dunkle Mann. Er bedauerte den Tod so vieler Elfen zwar, aber es war nicht das erste Mal, dass sie sich so destruktiv verhalten hatten. In der Vergangenheit hatten sich ihre Kämpfe bis in die Welt der Sterblichen ausgedehnt. Auch wenn sie ihre Unsterblichkeit nur selten leichtfertig aufs Spiel setzten, trafen sie doch von Zeit zu Zeit dumme – oder zumindest kühne – Entscheidungen. Die Verluste erinnerten sie daran, dass sie manchen Wunden gegenüber nicht unempfindlich waren.
Brutalen Wunden.
Wunden, die ihnen Stahl beigebracht hatte.
Wunden, die Elfen ihnen zugefügt hatten.
Er sah zu, wie seine Schwester die Leichen auflas, beobachtete, wie sich die Schatten um ihn herum in der Luft versammelten, und schüttelte den Kopf. Es war kein Spaß, plötzlich einen solchen Zustrom von Schatten bewältigen zu müssen.
Ich suche keine Untertanen.
Ankou hielt inne und runzelte die Stirn, dann beschrieb sie mit den Armen einen großen Kreis um sich. Er stand, für Elfenaugen ebenso unsichtbar wie die Schatten, nur da und beobachtete den ehemaligen Sommerkönig in seiner Trauer.
Wenn Donia starb, könnte der Winterhof an ihn übergehen. Das entsprach der natürlichen Ordnung. Das Kind des Winters würde den Hof seiner Mutter übernehmen. Er würde trauern, bitter werden und schließlich würde seine Trauer sich in Boshaftigkeit verwandeln.
Was ganz schön langweilig wäre.
»Hoffen wir, dass du bessere Entscheidungen triffst als deine Eltern, Keenan«, sagte Far Dorcha.
Der Dunkle Mann hatte ihm jede mögliche Unterstützung gewährt. Und weil er der Sommerkönigin noch etwas schuldig war, konnte er auch der verletzten Winterkönigin helfen, aber trotzdem gab es natürliche Regeln. Manche Opfer müssen freiwillig erbracht werden. Er schritt an den Wachen vorbei und machte sich erst kurz vor dem trauernden Keenan wieder sichtbar.
Als der Tod plötzlich über ihnen stand, war Keenan sich nicht sicher, ob er Donia holen wollte oder ihn, aber er war auf jeden Fall entschlossen, sie nicht aufzugeben.
Jetzt nicht. Und auch niemals sonst.
»Far Dorcha.« Keenan verneigte sich so ehrerbietig, wie es ihm mit Donia in den Armen möglich war. »Ich brauche deine Hilfe.«
Die Miene des Dunklen Mannes war völlig unergründlich. »Was hast du zu bieten?«
»Ich möchte ihr meinen Winter geben«, sagte Keenan. »Mein Leben, wenn sie es braucht.«
Far Dorcha lachte.
»Erbarmen!«, flehte Keenan. »Wenn du sie rettest, gebe ich dir alles, was ich habe.«
»Und wenn Bananach wegen dir entkommen wäre? Was wäre dann mit dem Hof, dem du gedient hast? Oder mit ihrem …«, er strich mit der Hand über Donias blutige Schulter, »… Hof? Mit Nialls? Oder Ashlyns? Was wäre dann aus all jenen geworden, die …«
»Das ist mir egal. Nur Donia zählt«, beharrte Keenan.
»Und wenn ich dir die Wahl lasse zwischen ihrem Leben und den Leben all der
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