Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
Niall noch durchhielt oder wie die Situation war. Sie sah im Inneren der Lagerhalle eine Wand aus Schatten und hoffte, dass Niall sie gezogen hatte.
Und dass Seth dahinter in Sicherheit ist.
Sie schaute zu der Eiswand; auf der anderen Seite wurde weiter gekämpft. Niall und Bananach hieben aufeinander ein. Auf ihrer Seite wartete der Anführer der Sommerwache. Ein Hundself rannte mit einem blanken Schwert auf ihn zu.
»Tavish!« Ashlyn konzentrierte das Sonnenlicht in ihrer Hand – doch dann fiel ihr wieder ein, dass die Meute in diesem Kampf auf ihrer Seite stand. Als Tavish in ihre Richtung schaute, ließ sie die bereits erhobene Hand wieder sinken.
»Meine Königin?« Er ging auf sie zu.
Um sie herum erschienen weitere Hunde und metzelten Söldnerelfen nieder. Die Meute, die noch wenige Augenblicke zuvor ausgedünnt gewirkt hatte, schien plötzlich überall zu sein. Das Blatt hatte sich zu Ungunsten von Bananachs Elfen gewendet.
»Was ist los?«, fragte Ashlyn, als Tavish bei ihr ankam.
»Das ist los.« Er zeigte in eine Richtung.
Als die Sommerkönigin seinem Arm folgte, erblickte sie Erstaunliches: Elfen von einer Art, die sie noch nie gesehen hatte, strömten ins Innere der Lagerhalle. Sie zogen Wasser hinter sich her, während sie feindliche Elfen in ihre Arme schlossen und mit ihnen wieder verschwanden. Sie wickelten einfach ihre amorphen Körper um Bananachs Elfen und strömten dann auf demselben Weg wieder hinaus, auf dem sie gekommen waren.
Einer von ihnen stand am Eingang; er fuchtelte mit den Händen herum, als dirigierte er eine Sinfonie. Dabei sah sein Körper aus wie ein Tropfen schimmernden Wassers in der Luft, der jeden Moment zu Boden fallen konnte.
»Was ist das?«, fragte sie.
Die Wassertropfen-Kreatur wandte sich ihr zu und sagte: »Ein Verbündeter. Von ihm.«
»Dein Verbündeter?«, fragte Ashlyn Tavish.
Ihr Wachmann schüttelte den Kopf.
»Schwur des Landkönigs«, sagte das Wesen und fuhr dann fort, seine Wasserelfen zu dirigieren.
»Oh.« Ashlyn schüttelte den Kopf. Zwischen den Hunden, den Ebereschenleuten, den Dunkelelfen und nun auch den Wasserelfen verschoben sich die Kräfteverhältnisse rasch zu Gunsten der vereinigten Höfe. Leider konnte das die Tatsache, dass Donia niedergestreckt worden war, ebenso wenig ungeschehen machen wie die, dass die hierfür verantwortliche Elfe weiterhin voll im Einsatz war.
Die Hunde, die draußen vor der Lagerhalle gekämpft hatten, kehrten nun ins Innere zurück – unter anderem weil die Zahl ihrer Gegner, wie es aussah, stetig sank. Die Wasserelfen kämpften nicht: Sie machten einfach Gefangene und verschwanden dann wieder.
Hier und da gab es noch einzelne Kampfherde, doch die Kräfte, die sich Bananachs Elfen entgegenstellten, waren offenkundig in der Überzahl.
Bleibt noch Bananach.
»Ich kann entweder Niall helfen oder die Mauer stehen lassen«, sagte Ashlyn leise. »Welchen Rat gibst du mir?«
»Es sieht nicht so aus, als würde er gewinnen, und derjenige, der die Mauer versiegeln könnte, scheint dazu gerade nicht gewillt zu sein«, erklärte Tavish. »Wenn du ihm helfen kannst, dann tu es. Uns gehen langsam die Möglichkeiten aus.«
Die Sommerkönigin atmete aus, und das Eis schmolz.
Eine Flut ergoss sich durch die Lagerhalle. Die Wasserelfen zogen die Feuchtigkeit prompt zu sich heran und hoben das Wasser in einer Ecke so weit an, dass ein Teil des Raums unter Wasser stand. Das Ganze sah aus wie ein riesiges Aquarium ohne Wände. Was völlig unmöglich ist. Die Wasserelfen, die sie eben noch gesehen hatte, vermischten sich nun bis zur Unkenntlichkeit mit dem Wasser. Einige der Landelfen versuchten, in dem vertikalen Fluss zu schwimmen, doch vergeblich.
Und dann floss dieses Wasser – und alles, was darin war – plötzlich sturzflutartig aus der Halle heraus.
Ashlyn blieb in einer wesentlich leereren Lagerhalle zurück. Hinter ihr bildeten Hunde und Ebereschenleute eine Verteidigungslinie, während vor ihr Niall und Bananach weiter miteinander kämpften.
»Ash«, sagte Niall. Der König der Finsternis blutete aus mehr Wunden, als Ashlyn zählen konnte. Er hatte sich einen Weg durch all die vielen Kämpfenden gebahnt, um dann der Kriegselfe Paroli zu bieten, während die anderen kaum bis zu ihm hatten aufschließen können.
Oder gefallen sind, als wir hier ankamen.
Die Sommerkönigin atmete zu ihrer Beruhigung tief durch.
Ich würde ja Gnade walten lassen, wenn ich könnte.
Der Sommer ist nicht zum Morden
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