Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
gute Idee war, den Anführer der Todeselfen zu attackieren.
»Es hätte aber meine Erinnerung sein sollen«, erwiderte er. »Wenn er dich damals nicht gefunden hätte, wärst du kurze Zeit später tot gewesen.«
Far Dorcha blies seinen zuckersüßen Atem in ihre Richtung.
Ashlyn wandte sich ab, um dem zu entgehen.
Far Dorcha blickte mit nachdenklicher Miene an ihr vorbei. Dann sagte er: »Manche Wunden brauchen länger, um ihre tödliche Wirkung zu entfalten. Ich hätte hinzugezogen werden müssen. Dein König ist mir einige Antworten schuldig, Sommerkönigin.«
»Ich werde es ihn wissenlassen.« Sie wies zur Straße. »Ich habe eingewilligt, von dir bis zu meiner Tür begleitet zu werden …«
»Ein andermal«, antwortete Far Dorcha geistesabwesend und verschwand ebenso leise, wie er gekommen war.
Ashlyn konnte ihre Wut nicht ganz unterdrücken, als sie durch die Traube ihrer ungeordnet herumstehenden Wachen schritt. Sie nahmen eilig wieder Aufstellung, während sie sie begleiteten.
Als sie am Loft ankam, das nun ihr Zuhause darstellte, war ihr Ärger schon wieder verflogen und ihr wurde plötzlich klar: Es musste einen Grund dafür geben, dass der Todeself sich in Huntsdale aufhielt – und ihr fielen nur Gründe ein, die sie zutiefst beunruhigten.
Wer ist gestorben? Oder wird sterben? Ihre Gedanken kreisten um Seth und Keenan, um ihren Hof, um Elfen, die nicht ihre waren, um die sie aber trotzdem trauern würde. Seth und Keenan sind fort. Sie können es nicht sein. Oder? Wo sind sie?
Sie rannte die Treppe hoch, drückte die Tür auf und rief: »Tavish! Ich brauche deinen Rat. Jetzt sofort. «
An Stelle ihres altbewährten Beraters trat Quinn in den Raum. »Tavish ist bei den Sommermädchen, aber ich bin zur Stelle.«
Die Vögel, die einmal Keenans gewesen waren, schwirrten aufgeregt umher, als Ashlyns Wut erneut aufflammte. »Ich brauche ein paar Auskünfte.«
Quinn duckte sich, als einer der Nymphensittiche gefährlich nah an seinem Ohr vorbeiflog. Er war klug genug, nicht nach dem Vogel zu schlagen, doch seine missmutige Miene war ihr nicht entgangen. »Kann ich aushelfen?«
Ashlyn hielt dem kleinen Angreifer ihren Arm hin. Der Vogel ließ sich auf ihrem Handgelenk nieder und kletterte seitwärts zu ihrer Schulter hinauf. Sie hatte nicht vor, Quinn von ihrer Begegnung mit dem Tod zu erzählen, doch es gab andere Themen, die sie besprechen konnte. Setz dich durch. Sie hatte sechs Monate hindurch Geduld gezeigt und darauf gewartet, dass Keenan an seinen Hof zurückkehrte. Sie hatte auf Seth gewartet, während er sich im Elfenreich aufhielt. Versteckt sich jetzt Keenan im Elfenreich? Und ist Seth auch wieder dort? Seth war seit einigen Tagen verschwunden, und da die Königin des Lichts ihn als ihren Sohn betrachtete, nahm Ashlyn an, dass sein Verschwinden mit ihr zu tun hatte. Keenan mochte Sorcha zwar nicht nahestehen, aber er hatte über Jahrhunderte mit ihr verhandelt. Ist auch er aus irgendeinem Grund ins Elfenreich gegangen? Die Königin des Lichts lag schon etliche Jahrhunderte länger mit ihrer Zwillingsschwester Bananach im Zwist, als Ashlyn überhaupt lebte – sie hatte Antworten. Aber sie würde denen, die nun mit der erstarkten Kriegselfe zu tun hatten, nicht ihre Hilfe anbieten – und das konnte Ashlyn auch nicht von ihr erwarten. Keenans Worten zufolge hatte die Königin des Lichts sich jahrhundertelang aus dem Konflikt zwischen Sommer- und Winterhof herausgehalten. Und ich kann sie nicht um Rat bitten, weil ich gar nicht zu ihr kann. Ich kann noch nicht mal herausfinden, ob mein König … oder Seth … bei ihr ist.
»Wie kommt es, dass ich nicht weiß, wie man ins Elfenreich gelangt?« Ashlyn ließ ihre Wut in ihrer Stimme und auf ihrer Haut durchschimmern. »Wo sind die Pforten ins Elfenreich?«
»Meine Königin …«
»Nein«, unterbrach sie ihn, bevor er wieder mit seiner Litanei beginnen konnte, wie gefährlich es sei, das Elfenreich ohne Zustimmung der Königin des Lichts zu betreten. »Alle scheinen zu wissen, wie man ins Elfenreich gelangt. Seth weiß es. Niall weiß es. Keenan weiß es. Warum weiß ich es nicht?«
»Mit Verlaub, meine Königin, die anderen sind nicht erst seit kurzem Elfen. Außer Seth, aber er ist … Die Unveränderliche Königin hat ihn ins Herz geschlossen.«
Als er den Lichtblitz auf der Haut der Sommerkönigin bemerkte, fügte Quinn rasch hinzu: »Aber anders als du, meine Königin. Sie weiß, dass er dein …« Quinn brach ab. Er ging
Weitere Kostenlose Bücher