Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
kupferfarbene Haare hatten auch seine einen metallischen Farbton, der keinen Zweifel daran zuließ, dass er alles andere als ein Sterblicher war. Sie hatte ihn noch nie mit offenen Haaren gesehen; er trug sie zu einem Zopf geflochten, der ihm über den Rücken fiel. Dadurch wurde seitlich an seinem Hals ein Teil eines kleinen schwarzen Sonnentattoos sichtbar. An einem überwiegend schmucklosen Hof stach dieses Tattoo hervor. Ebenso wie seine Zurückhaltung, die eher an den Hof des Lichts passte, und seine Augen, die so dunkel waren, als käme er vom Hof der Finsternis. Diese Augen beobachteten sie aufmerksam, also sagte sie, was sie ursprünglich hatte sagen wollen: »Ich traue Quinn nicht.«
»Ich war gegen seine Wahl.« In Tavishs konzentriertem Blick lag – wie auch schon in den letzten Monaten – etwas Anerkennendes. »Mein König hat die Wahl getroffen.«
»Nun, dein König ist nicht hier. Behalte Quinn im Auge, bis ich etwas anderes entscheide … Keine extremen Maßnahmen, noch nicht, aber beobachte ihn genau. Mit wem er redet. Wann. Alles.« Ashlyn wusste, dass in ihrer Stimme Sorge mitschwang, doch im Gegensatz zum Rest ihres Hofes musste sie Tavish nichts vormachen. Ihrem Berater gegenüber konnte sie offen sein. Und diese Ehrlichkeit war willkommen. Sie faltete die Hände. »Sowohl Seth als auch Keenan könnten … in wer weiß welcher Gefahr schweben, und keiner von beiden hält es für nötig, mir zu sagen, wo er ist.«
Nun setzte Tavish sich neben sie. »Sie werden beide zurückkommen, Ashlyn.«
»Was, wenn Ba…«
»Wenn sie sie umgebracht hätte, hätte sie uns das wissenlassen.« Tavish strich ihr in einer seltsam väterlichen Geste die Haare zurück. »Ihre Tode würden ihr nämlich mehr nützen, wenn du von ihnen wüsstest. Sie leben. Bananach hat einige Dunkelelfen attackiert. Seth war dort und ist dann mit dem Bruder der Königin des Lichts weitergezogen.«
Ashlyn ärgerte sich, dass Tavish ihr das nicht sofort erzählt hatte, nachdem er es erfahren hatte. Aber ihn dafür zu schelten, hätte wenig gebracht: Er hätte sie nur daran erinnert, dass die Hofangelegenheiten für sie Priorität hatten. Dass er diese Information auch während ihres Gesprächs über Quinn noch zurückgehalten hatte, war aus dem gleichen Grund verständlich. Es musste so sein.
Der Hof kommt vor allem. Und jedem. Selbst vor mir.
»Seit wann weißt du es?«
»Dass Seth in Sicherheit ist? Seit heute.« Tavish machte eine Pause, um sie spüren zu lassen, dass er abwog, welches Maß an Wahrheit er aussprechen sollte. »Und dass es einen Kampf gab? Seit zwei Tagen.«
Bevor sie etwas sagen konnte, fuhr er fort: »Du bist meine Königin, und meine Aufgabe ist es, dich zu beraten und zu beschützen. Wenn es irgendeinen Nutzen gehabt hätte, es dir früher zu sagen, hätte ich es getan. Ich weiß, dass er in einen Kampf gegen Bananach verstrickt war und dass es Verletzte und Tote gegeben hat.«
Ashlyns Herz geriet ins Stocken. »Wer?«
»Ein Halbling, der unter dem Schutz des Hofs der Finsternis stand, wurde getötet, die Schwester dieses Tätowierers.«
Sie dachte an die beiden Mädchen und ihre schier unerschöpfliche Energie. Der Gedanke, dass eine von ihnen nicht mehr lebte, machte sie traurig. »Ani oder Tish?«
»Tish«, sagte er.
»Der arme Rabbit!« Noch während sie das sagte, sprangen ihre Gedanken zu ihrer eigenen Familie. Sie wusste nicht, ob sie überhaupt noch weitermachen könnte, wenn Grams während der bevorstehenden gewaltsamen Auseinandersetzungen etwas zustieße. »Schick Grams weg«, sagte Ashlyn. »Einige Wachleute sollen sie begleiten.«
Tavish nickte. »Eine kluge Entscheidung.«
»Ich muss wissen, dass sie in Sicherheit und außerhalb von Bananachs Reichweite ist.« Ashlyn kreuzte die Arme vor der Brust und umklammerte sich selbst, um ihr Zittern zu unterdrücken. »Schickt sie auf eine Kreuzfahrt, damit sie immer wieder ihren Aufenthaltsort ändert. Irgendwohin, wo es möglichst warm ist.«
Tavish nickte. »Es heißt, es gebe noch einen zweiten tödlich Verletzten … dass der Tod jedoch noch nicht ganz eingetreten ist. Meine Quellen am Hof der Finsternis sind nicht so mitteilsam, wie ich es gern hätte, aber ich habe Erkenntnisse darüber, dass Irial verletzt wurde.«
»Irial?«
Tavish nickte. »Weitere Details konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Noch nicht. Aber es verheißt nichts Gutes. Wenn Irial … stirbt, wird Niall nicht gut ohne ihn zurechtkommen.«
»Das verstehe
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