Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
bald leer sein.« Ankou trat auf den Hund zu.
Gabriel nickte. »Ich weiß.«
»Ich sollte sie mitnehmen können.«
»Ihn«, korrigierte Gabriel. »Irial. Den letzten König. Er ist kein Ding .«
»Die sterbliche Hülle schon«, erwiderte Ankou.
Die Hundselfen an Gabriels Seite drängten nach vorn, und Far Dorcha erinnerte sich daran, dass seine Schwester Führung brauchte. »Sie könnte ihn befreien von seinem …«
»Nein.« Gabriel hielt ihr seine tätowierten Unterarme hin, auf denen die eingeschriebenen Befehle des Königs der Finsternis kreisten, damit jeder sie lesen konnte. Der Hund und mit ihm seine gesamte Meute hatten Befehl, den alten König der Finsternis zu beschützen.
Ankou streckte ihre knochige Hand aus, als wollte sie das Fleisch berühren, auf dem die Befehle geschrieben standen. »So sei es.«
Far Dorcha nahm ihre Hände und verschränkte ihre tödlichen Finger mit seinen, dann sagte er zu Gabriel: »Du kannst den Tod nicht aufhalten. Wenn wir beschließen einzutreten, werdet ihr alle sterben.«
»Ich weiß«, erwiderte Gabriel achselzuckend. »Aber ich befolge die Befehle des Königs der Finsternis. Seine Entscheidungen gefallen nicht jedem, aber die Meute steht an seiner Seite.«
»Um welchen Preis?«, gab Ankou zurück.
»Mein Welpe ist tot. Es werden noch mehr fallen. Ich bin mit Sterblichkeit vertraut, und es ist gut, dass Iri eure Aufmerksamkeit erhält. Die, die Tishs Hülle mitgenommen haben, habe ich nicht einmal gesehen.« Die Miene des Hundselfen wurde noch angespannter, doch er schüttelte den Kopf. »Aber ihr könnt Iri noch nicht mitnehmen. Sagt der König. Ich gehorche dem König der Finsternis … koste es, was es wolle.«
Far Dorcha nickte. »Ich werde bald mit deinem König sprechen.« Dann wandte er sich an seine Schwester: »Komm, Schwester, es hat noch Zeit.«
Als Ankou nickte, ließ Far Dorcha ihre Hand los – und sie streckte sie in Elfengeschwindigkeit aus und legte sie an Gabriels Wange.
»Du solltest dich nicht in meine Arbeit einmischen«, sagte sie. »Ich hätte ihm Gnade gewähren können.«
Dann reckte Ankou sich, streifte Gabriels Wange mit ihren Lippen und zeichnete ihn so für ein Schicksal, das nur sie sehen konnte.
»Komm, Schwester«, wiederholte Far Dorcha und führte Ankou vom Haus des Königs der Finsternis weg.
Zehn
Gabriel schlug die Tür hinter der Todeselfe zu. »Niemand öffnet diese Tür. Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt?«
Die Meute zerstreute sich, als er herumfuhr und sie anknurrte.
»Der König … sie alle beide … müssen bewacht werden, und sie hereinzulassen, hilft niemandem.« Er schaute von Hund zu Hund. »Niall braucht ein bisschen Zeit, um …« Die Türglocke läutete, als der Gargoyle draußen erneut jemanden biss.
Gabriel wirbelte herum und riss die Tür wieder auf. »Was?«
Aber es war nicht die Todeselfe; stattdessen stand eine der Elfenbeinschwestern vom Winterhof auf der Treppe. Sie machte einen Knicks. »Die Winterkönigin …«
»Der König empfängt keine Besucher«, unterbrach Gabriel sie. Er wollte die Tür zudrücken, doch die unerbittliche Elfe streckte eine Hand aus und verhinderte es.
»Die Winterkönigin ersucht um eine Unterredung mit einem Mitglied der Meute«, wiederholte sie.
Damit drehte die Elfe sich um und spazierte davon, als wäre es für sie nicht im Geringsten beängstigend gewesen, in das Gesicht der Meute zu blicken. Gabriel schloss lächelnd die Tür, aber während er durch das abgedunkelte Haus schritt und das Zimmer betrat, in dem der König der Finsternis rastlos auf und ab ging, verschwand sein Lächeln.
»Niall?«
Der König schaute zu ihm hin, doch einen Moment lang lag keinerlei Erkennen in seinem Blick. Er sah Gabriel zwar an, sagte aber nichts und tat auch sonst nichts, woraus ersichtlich gewesen wäre, dass er sich Gabriels Anwesenheit bewusst war. Dann flackerten die Schatten in seinen Augen und er sagte: »Ich bin doch jetzt wach, oder?«
»Ja, du bist wach.«
»Das will ich aber nicht«, krächzte Niall.
»Ich weiß.« Gabriel hatte über seine Optionen nachgedacht: Sorcha konnte er nicht hierherbringen und Keenan war immer noch nicht wieder zurück in Huntsdale; also blieben noch Ashlyn und Donia. Die Sommerkönigin war nicht so mächtig wie die Winterkönigin, und es war nicht vorherzusehen, wie Niall auf sie reagieren würde. Donia dagegen suchte das Gespräch mit einer Hundselfe und war darüber hinaus mit dem König der Finsternis befreundet.
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