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Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Titel: Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson , Karl-Ludwig Wetzig
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sie ins Dorf kommen, und Agüstas rotgemalte Lippen würden sich über sie hermachen. Wer seine Gefühle offen zeigt, kann nicht ganz dicht sein, erst recht nicht, wer sie auf Postkarten verewigt. Man könnte denken, sagte Benedikt zum Hund, ich wäre so ein Popstar oder ein Dichter. Komm, wir wollen uns diesen Schwachsinn mit ein bisschen Arbeit austreiben!
    Aber dann ereignete sich Folgendes, und unsere Hände zittern ein bisschen dabei, was soll man sagen, es war Sommer.
    Juni, auch bei den ägyptischen Mumien, die Schafe sind mit sämtlichen Lämmern im Hochland und knabbern Isländisch Moos und trinken aus Bächen, später kommt dann der Herbst, und sie werden zu gekühlten Schafshälften verarbeitet, landen auf dem Grill oder im Backofen, und wir essen sie, ohne einen Gedanken an das zu verschwenden, was ihren Augen diese Klarheit verliehen hat. Benedikt traute sich kaum in den Ort, musste aber zum Einkaufen dorthin. Er parkte vor Lagerinn und fragte die drei drinnen leise, ob sie etwas von gewissen Postkarten gehört hätten, und das hatten sie allerdings. Scheiße, sagte Benedikt und wurde so kleinlaut, dass Kjartan, dem schon das Fell gejuckt hatte, ihn so richtig hochzunehmen deswegen, fast völlig davon abließ und stattdessen sogar für ihn zum Einkaufen hinüber in den Genossenschaftsladen trabte, während Davið mit Benedikt eine Partie Schach spielte und Matthias erzählte, der Laden würde wohl bald Konkurs anmelden. Hoffentlich sehr bald, dachte Benedikt, dann haben die Leute an anderes zu denken als an die Postkarten.
    Und was dann?, fragte Davið zwischen zwei Zügen.
    Irgendeine große Kette wird uns schlucken, sagte Matthias.
    Tja, siebzig Jahre Genossenschaftsgeschichte im Eimer, sagt Davið und schüttelt den Kopf, Benedikt sagt nichts dazu, denn siebzig Jahre sind bloß ein Atemzug im Vergleich mit ägyptischen Mumien.
    Du solltest ihr einen Besuch abstatten, sagt Kjartan, als er mit Tüten beladen wiederkommt, Benedikt schüttelt den Kopf, sagt Nein und fährt nachhause. Ums Verrecken würde er sich nicht trauen, Þuríður zu besuchen, er hat die Karten aufgedeckt, steht völlig schutzlos da, und wenn er ihr schon gegenübertreten soll, dann zuhause, wo er sich wenigstens an einem Zaunpfahl abstützen kann. – turiöur besucht ihn an einem wolkigen Tag.
    Auf einmal steht sie auf dem Hof, in schwarzen Jeans und rotem Pullover, auch mit den Stiefeln an den Füßen, bemerkenswert, wie gut ihr dunkles Haar zu all dem passt, Wolken, Tageslicht, vergehende Zeit. Benedikt streicht gerade das Haus, hält einen Pinsel in der Hand, legt den Pinsel erst mal weg, vielleicht, um sie besser ansehen zu können, es ziehen Wolken da oben, warum denkt er jetzt an Wolken? Auf Benedikts Land stehen alle Zaunpfosten wie eine Eins, ob es nun zwanghaft oder aus Ehrgeiz so ist, jedenfalls ist es manchmal tröstlich, dass man wenigstens etwas im Leben gerade auf die Reihe kriegt, aber warum jetzt an Zaunpfähle denken, der Himmel ist blauer als dieser Tag, ein blauer Himmel passt hervorragend zu Lederstiefeln und dunklen Haaren, sicher trug Maria Magdalena Stiefel, als Jesus sie zum ersten Mal sah, und er hat ganz sicher an die Zaunpfähle seiner Zeit denken müssen, um nicht verrückt zu werden. Gab es zu Zeiten von Jesus schon Lederstiefel?, fragt Benedikt, völlig blödsinnige Frage natürlich, und sie lächelt auch. Diese Lippen dürfen mich anbeißen, denkt er.
    Danke für die Postkarten, sagt sie schließlich und ist näher auf ihn zugetreten. Erst lag der ganze Hof zwischen ihnen, jetzt nur noch ein paar Steinchen, der Hund hat schon seine Vorderpfoten auf ihren Hüften, sie die rechte Hand auf seinem Kopf.
    Waren es vier aus London?, fragt er zurückhaltend.
    Drei, sagt sie und lächelt noch breiter. Hast du dermaßen einen sitzen gehabt, fragt sie und lacht auf. Er antwortet lange nichts, sieht ihr nur in die Augen, denn was ist eine viertausend Jahre alte Mumie gegen zwei lebendige Augen?
    Ja, sagt er schließlich, ich war so breit, dass ich nicht mal an Agusta gedacht habe.
    Sie hat sich keine Zurückhaltung auferlegt hinsichtlich der Karten.
    Sie waren an dich gerichtet, nicht an die Allgemeinheit, sagt er.
    Würdest du so etwas auch schreiben, wenn du nüchtern bist?
    Ja, antwortet er sofort, ohne sich genau zu erinnern, was auf den Karten stand. Da tritt fmriöur noch näher, so nah, dass man glauben könnte, sie stünden in der Enge einer Großstadt oder in einem überfüllten Aufzug, aber nicht auf

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