Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman
ein Stück, sie tranken Kaffee, sprachen über irgendwas Belangloses, dann ging sie wieder, beide waren ziemlich unzufrieden. Diese klare Frostluft hätte auch mehr bewirken können, dachte turiöur, als sie davonfuhr, und Benedikt fühlte sich auch unzufrieden, ohne genau zu wissen, warum. Er ging in die Stallungen, räumte in der fast leeren Scheune auf und wühlte, damit der Tag irgendein greifbares Ergebnis bekam. Als er das nächste Mal im Lagerinn aufkreuzte, grinsten ihm drei Gesichter entgegen. So was spricht sich bei uns schnell rum.
Der dritte Besuch ereignete sich im Mai, gegen Abend, es war kühl und goss in Strömen, alles eine einzige Schlammpampe draußen, kein Wetter, um die Mutterschafe mit den Jungen rauszutreiben, und schon gar nicht die trächtigen. Benedikt wollte erst seinen Ohren nicht trauen, als der Hund vor der Schafstalltür anschlug, aber kurz darauf trat Þuríður ein, groß, in Goretexjacke und groben Wanderschuhen, kein Wetter für Lederstiefel. Zunächst reagierte Benedikt fast mürrisch, dabei hatte er, ohne es sich selbst oder dem Hund eingestehen zu wollen, auf einen dritten Besuch gewartet und ihn sich bei ruhigem Wetter unter einem trockenen Himmel ausgemalt, denn mit einem fremden Menschen redet es sich zwischen Grasbüscheln leichter als zwischen vier Wänden; wenn alles schiefgeht, kann man sich immerhin noch an einen Zaunpfahl lehnen. Doch jetzt war sie also da, der Regen trommelte oben auf das Wellblechdach des Stalls, der Hund leistete ihr Gesellschaft, während Benedikt beschäftigt war und geschäftig, permanent in Bewegung, er packte alles an, was sich irgend sinnvoll in die Hand nehmen ließ, teils weil er seinen Unmut abreagieren wollte, teils aber auch, weil er einfach nichts mit der Frau anzufangen wusste, die sich auf eine Futterrinne gesetzt hatte und sich mit dem Hund unterhielt oder lächelnd ein Schaf ihre Hand beschnuppern ließ. Na sicher hatte er an sie gedacht, sich den Kopf darüber zerbrochen, was sie vorhatte, was diese Besuche zu bedeuten hatten. Stand sie einfach nur auf ihn? Das erschien ihm höchst unwahrscheinlich, er besaß nicht sonderlich viel Land, der Fluss, der hindurchfloss, wies selten mehr als drei Fische am Tag auf, und er hatte sich einige Male gründlich im Spiegel inspiziert, sogar nackt; er war lang und dünn, die Schlüsselbeine standen hervor, der Adamsapfel war zu groß für den dürren Hals, schien zuweilen sein Eigenleben zu führen, wie ein kleines Nagetier oder so. Seine Lippen waren schmal, sein Lachen klang wie Knurren, und dann diese Nase, du lieber Gott! Was um alles in der Welt konnte eine solche Nase rechtfertigen? Er fühlte daran, als Þuríður gerade nicht hinsah, und sie füllte fast seine gesamte Handwölbung aus, und Benedikt hatte keine kleinen Hände. Sein Aussehen hatte es ihr wohl kaum angetan, immerhin, sie hatte ihn am Silvesterball geküsst, aber das hatte nichts zu bedeuten, sie waren beide betrunken gewesen. Sie hatte von seinen Augen gesprochen, aber nur weil sie sie traurig fand. Sein Charakter hatte wohl auch kaum etwas Faszinierendes an sich, Loa hatte sich oft darüber beklagt, dass mit ihm nichts los war, ganze Tage hatten vergehen können, ohne dass er ein einziges Mal ins Haus gekommen war, und am Abend, wenn sie etwas Leckeres gekocht hatte und sich mit ihm unterhalten wollte, war kaum ein Wort aus ihm herauszukriegen; er lehnte sich in sein Schweigen zurück, knüllte es unter seinem Kopf zusammen und benutzte es als Kissen. Ich bin ein Holzklotz, dachte Benedikt, und turiöur hat eine Schwäche für Holzklötze – sie kommt aus Mitleid und aus nichts anderem. In Benedikt kocht Wut auf, Mitleid ist ekelhaft, lieber möchte er gehasst werden, das ist sauberer. Er packt das Stemmeisen, hat aber eigentlich gar keine Verwendung dafür, turiöur ist aufgestanden und kommt auf ihn zu, sie hat einen so schönen Gang, widerwillig muss er es anerkennen, so geradeaus und unangestrengt.
Du hast viel zu tun, sagt sie lächelnd, klar, wer so weiße und gerade Zähne hat, muss ja lächeln. Er hebt die Hand, hat das Stemmeisen darin ganz vergessen und hält es, als wolle er sie damit erschlagen, verwirrt legt er es weg.
Warum kommst du her? Aus Mitleid?, fragt er grob und unnötig scharf, so sollte er nicht mit ihr sprechen, aber in dem Moment, in dem er fragte, ist ihm der Kragen geplatzt. Sie lächelt nicht mehr, hat ein schlechtes Gewissen, ist beschämt oder, nein, doch nicht, ihr Gesicht besagt
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