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Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Titel: Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson , Karl-Ludwig Wetzig
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Löa anzurufen, noch glänzender aussehen zu lassen.
    Benedikt, sagte Löa oder zumindest ihre Stimme, denn womit man am Telefon spricht, ist ja nicht der Mensch selbst, es fehlen die Augen, der Geruch, das Eigengewicht des Körpers im Sinne des newtonschen Gesetzes. Benedikt guckte, die Nacht war nicht mehr ganz so hell, der Hund eingeschlafen, der Himmel löste sich eine Spur von der Erde ab, ließ sie allein zurück in der Leere, wo sie sich ganz langsam drehte, denn im All gibt es nichts, woran man sich festhalten könnte. Und es war niemand mehr am Telefon, außer Benedikt natürlich, der noch immer den Hörer in der Hand hielt, aber ansonsten völlig selbstvergessen dastand. Hatte sie sich überhaupt verabschiedet? Hatten sie noch mehr miteinander gesprochen? Doch, irgendwas schon, er wusste es nicht mehr. Schlaf gut, hatte sie wohl gesagt, und er wahrscheinlich Ja, aber natürlich ging er nicht schlafen, das Bett brauchte jetzt keine Gesellschaft, vielmehr ging er wieder nach draußen, setzte sich an die Hauswand, fühlte die Kühle der Nacht auf seiner Haut; die Erde war gefleckt, zur Hälfte grün, zur Hälfte braun. Er musterte die Wodkaflasche und wachte dann gegen Mittag auf, an der Hauswand, steif und ausgekühlt, nur im Rücken nicht, wo der Hund dicht an ihn gedrückt lag. Er erwachte aus einem Traum, jemand hatte sein Gesicht geküsst, es mit kleinen zärtlichen Küssen bedeckt, und er hatte gar nicht aufwachen wollen, lediglich die Augen einen Spalt weit öffnen, um das andere Gesicht zu sehen, um herauszufinden, zu wem diese Lippen gehörten, aber dann wachte er auf, auf der Erde vor der Hauswand und neben dem Hund. Es regnete ihm ins Gesicht.

Drei
    Glaub jetzt bitte nicht, so sei das mit Benedikt immer gewesen, nein, nein, es gab Wochen, da war er ausschließlich Bauer, ein Mann, der seineArbeit machte, voll und ganz mit dem Zäunesetzen beschäftigt, ganz auf seine Schafe konzentriert, da gab es für ihn nichts als seine Landwirtschaft, und der Himmel konnte seinen Mundharmonikablues anderen vorspielen. Dann freute er sich auf den Abend, darauf, sich vor den Fernseher zu setzen, eine gute Sendung zu sehen, einen guten Spielfilm, oder Radio zu hören, eine Platte oder eine CD aufzulegen; es ist gut, allein zu sein, oder zu zweit mit dem Hund, so lässt sich das Leben meistern, er fährt ins Dorf, erledigt seine Einkäufe, macht einen Abstecher ins Lagerinn , hält sich meist eine Weile dort auf, sie spielen Schach, ein Turnier zu viert, wer als Erster dreißig Partien gewinnt, ist Sieger, der Preis eine Flasche Whisky, die der Gewinner gleich an Ort und Stelle am helllichten Tag im Lager zu trinken hat. Es läuft auf einen Zweikampf zwischen Benedikt und Matthias hinaus, Kjartan gewinnt nur selten einmal, meist aus reinem Glück, Davið kann ziemlich unangenehm sein, er ist ein bissiger Angriffsspieler, hat aber kein Durchhaltevermögen, man muss ihn müde spielen, nach zwanzig Zügen fängt er an zu träumen, verliert die Konzentration. Es sind für sie alle angenehme Stunden, und es ist Sommer. Im März war turiöur aufgetaucht und hatte ihre braune Tasche vor dem Haus zurückgelassen, war dann mit den roten Rücklichtern wieder im Nieselregen verschwunden. Benedikt hatte die Tasche mit reingenommen, nur damit sie keinen Schaden nahm. Wegen nichts weiter, sagte er zum Hund, der das Maul öffnete, um die Zunge raushängen zu lassen. Da hing sie, breit und viel zu schlaff für Worte. Dann kam Þuríður wieder. Das war im April, wir halten uns nicht genau an die zeitliche Abfolge. Sie kam im eisblauen Licht eines Samstags. Der Frost schweißte Himmel und Erde zusammen, und diesmal bestand keine Möglichkeit, sich im Nebel zu verlieren. Benedikt hatte mit ihr gerechnet, nicht auf sie gewartet, ja, doch, klar hatte er das, und jedes Mal einen Blick auf die Tasche geworfen, wenn er den Anorak überzog oder die Schuhe abstreifte; auch der Hund schnüffelte oft an ihr und warf seinem Herrn einen fragenden Blick zu, den der aber nicht zu verstehen vorgab und auf den er nicht reagierte. Dann aber kam sie am hellen Tag, und viele bekamen es mit, dass ihr roter Toyota den Abzweig zu Benedikt nahm, er wusste es ganz genau. Ist mir doch scheißegal, sagte er zum Hund. Dieser zweite Besuch währte länger als der erste, aber auch nicht lang, vielleicht eine halbe Stunde, und es wurde nichts gesagt oder getan, was der Rede wert wäre. Er hatte einen Kastenkuchen aus dem Geschäft im Kühlschrank, sie nahm sich

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