Sommerliebe eine Anthologie aus 8 sinnlich-romantischen, humorvollen und erotischen Gay -Love -Storys (German Edition)
an den Gedanken gewöhnen, dass ich dich verloren habe.
Gibt es einen anderen? Das hast du mir nicht verraten. Du hast nur gesagt: „Ist dir eigentlich klar, dass ich schon seit ein paar Wochen davon ausgehe, Single zu sein? Ist dir aufgefallen, dass es mir in letzter Zeit dreckig ging?“
Nein. Und du hast nichts gesagt. Kein Wort.
Aber man sollte so etwas bemerken, oder? Unabhängig davon, dass es deine Pflicht gewesen wäre, den Mund aufzumachen, sollte ich es merken, wenn mein Freund sich von mir distanziert und unglücklich ist. „So-kann-ich-nicht-weiterleben“-unglücklich.
Wenn es etwas gibt, das ich nicht möchte, dann dich von deinen Träumen fernzuhalten. Schlimm genug, dass ich meine eigenen zwischen Aktenordnern und Bilanzen verloren habe. Ich wollte nach Schottland. Du wolltest nach Marokko. Ich wollte nach Finnland. Du wolltest nach Ungarn. Du wolltest ein Wasserbett, ich wollte eine Badewanne mit Massagedüsen. Und vor allen Dingen wolltest du an den Rhein und Wein kaufen, um ihn in unserer gemeinsamen Wohnung einzulagern. Oder noch besser, in unserem gemeinsamen Haus.
Warum habe ich mich dagegen gesträubt? Ich weiß es nicht. Aus Angst vor der Veränderung vermutlich. Ich mag es, wenn mein Leben sich langsam ändert. In winzigen Mäuseschritten. So, dass ich mich daran gewöhnen kann. Aber vielleicht muss man auch als Maus manchmal vom Hausdach springen, wenn die Katze hinter einem her ist.
Ich springe. Jetzt. Eine Welle Energie walzt durch mich hindurch, als ich den freien Fall wähle und darauf baue, dass der Wind mich in die richtige Richtung trägt.
Es gibt viel zu tun. Es ist sinnlos, mitten in der Nacht auf einem Supermarktparkplatz zu stehen und zu heulen. Morgen wartet die Arbeit auf mich. Unter ihrem Tuch kann ich meine privaten Probleme verstecken. Ich kann weitermachen wie bisher. Theoretisch. Das ist vielleicht das Schlimmste: es wird sich so gut wie nichts ändern. Ich werde nicht mehr bei dir schlafen und du nicht mehr bei mir. Du wirst keine Zahnbürste mehr auf meinem Badezimmerschrank stehen haben und ich keine Flasche von meinem Lieblingsduschgel bei dir.
Und es killt mich! Es macht mich rasend. Ich möchte aus dem Auto springen und den Wagenheber aus dem Kofferraum reißen, um damit systematisch jedes einzelne Stück Blech dieser Dreckskarre zu verbeulen. Denn der Wagen ist schuld! Er steht für all das, was schief gegangen ist. Wenn es wichtiger ist, genug Kohle für den nächsten Neuwagen zu haben, als seine Überstunden abzufeiern und die freie Zeit mit seinem Freund zu verbringen, dann läuft etwas schief.
Gott, Sebastian, du hast so recht, wenn du sagst, dass uns nichts trennen kann außer uns selbst. Ich habe uns im Weg gestanden. Ich und vielleicht dein Schweigen. Wir haben es verbockt. Wir beide. Wir haben uns selbst unser Grab geschaufelt. Aber noch hat die Trauerfeier nicht stattgefunden. Noch sind wir nicht begraben. Du magst die Einladungen verschickt haben, aber ich habe in dieser Sekunde den Termin abgesagt.
Schnurrend erwacht der Motor zum Leben, als ich den Zündschlüssel umdrehe. Mir ist heiß. Es fühlt sich an, als steige Fieber in mir auf. In Wirklichkeit wehrt sich nur mein Körper gegen die miese Behandlung. Es ist bald vier Uhr morgens. Ich habe nicht geschlafen, hatte kein Mittagessen und erst recht kein Abendessen. Mein Schädel dröhnt vom missglückten Versuch, nicht zu weinen. Ich bin todmüde und hellwach. Ich will nicht, dass diese Nacht ein Ende findet, aber bereits jetzt lungern die ersten violett-goldenen Schnurrhaare im Osten und kitzeln den nächsten Sonnentag aus der Atmosphäre hervor. Es ist die Art Licht, mit dem Hollywood-Klassiker enden; umschmeichelt vom Klagen der Violinen und dem beruhigenden Summen der Violoncelli. Es ist die Gattung Licht, in der sich die Protagonisten auf ihr lang vermisstes Zuhause zu bewegen. Sich küssen. Der Augenblick, in dem die Kamera aufzieht und die Schönheit eines befriedeten Landes zeigt. Das Ende der Geschichte eben.
Doch wer ist verantwortlich? Wer schreibt die Geschichte unseres Lebens? Ein fremder Puppenspieler, der über unseren Köpfen schwebt und an unseren Fäden zupft? Ein Hollywood-Regisseur mit Identitätskrise? Oder unser Unterbewusstsein, das in Gefühlen zu einem anderen Menschen eine tickende Zeitbombe sieht?
Nein, verdammt! Wir schreiben unsere Geschichte. Und wenn wir sie in unserem eigenen Blut an die kahle Wand unserer inneren Irrenanstalt kritzeln müssen,
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