Sommerliebe eine Anthologie aus 8 sinnlich-romantischen, humorvollen und erotischen Gay -Love -Storys (German Edition)
einen unflätigen Fluch aus, als er seine volle Größe erreichte und sich nackt im Schein der Feuer wiederfand. Allerdings schenkte kaum jemand seiner Blöße Beachtung. Das Publikum krakeelte. Blüten flogen in Tandurs Richtung, der sich elegant in alle Richtungen verneigte. Sein Umhang peitschte an Bjanars nacktem Bein entlang, als er sich ein letztes Mal vor der Menge verbeugte: „Habt Dank, meine Damen, meine Herren. Nun geht hin und erzählt euren Freunden und Familien von der Zauberei der Ranasci. Sie alle sind uns willkommen, aber nicht mehr in dieser Nacht.“ Dramatisch presste er sich eine Hand auf die Brust. „Meine Kräfte sind erschöpft.“ Vielstimmiger Protest ertönte und Bjanar verzog das Gesicht. Das war typisch für Tandur. Er liebte den Applaus. Von wegen, Kräfte erschöpft. Bestimmt konnte er noch den ein oder anderen Zauber wirken. Er wollte nur gebeten werden.
Aber das konnte Bjanar nur recht sein. Eilig ging er zu seinen Kleidern und streifte sie sich über. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Tandurs Geschwister und Eltern auf ihn zu stürmten und ihn in ihre Mitte zogen. Sie küssten sein Gesicht, hielten seine Hände, während Stimmen laut wurden, die um weitere Kunststücke baten.
Bjanar wusste nicht, wie er empfand. Er freute sich, unbändig sogar, aber er wollte selbst zu Tandur rennen dürfen, um ihn zu begrüßen. Er wollte ihn in die Arme schließen und für sich haben, bevor die anderen ihn vereinnahmten. Wütend war er außerdem. Hatte Tandur denn ausgerechnet ihn als Opfer für sein Zauberstück aussuchen müssen?
Frustriert und verwirrt stahl Bjanar sich aus dem Kreis der Wagenburg. Über allen anderen Fragen brannte ein Gedanke in seinem Hinterkopf: „Warum ist Tandur zurückgekommen und wird er bleiben?“
* * *
In den Weiden flüsterte es. Grillen zirpten. Der Duft von Apfelblüten senkte sich vom nahen Dorfgarten aus auf die Uferböschung nieder, an der Bjanar melancholisch entlang wanderte. Das Quaken von paarungswilligen Fröschen schallte ihm entgegen, als wollten sie ihn verhöhnen. Am Stand der Sterne erkannte er, dass der Morgen nicht mehr fern war. Es war nicht ungewöhnlich für ihn, um diese Zeit noch wach zu sein. Die Nacht war ihm freundlicher gesonnen als der Morgen mit seinen feuchten Fingern, die Gras und Buschwerk mit Tau benetzten.
Tandur. Daheim. Frech wie eh und je. Bjanar verzehrte sich nach ihm. Jetzt, da er ihm nah war, mehr als je zuvor. Die unverschämt glatte Haut an seinem Rücken. Das Gefühl, wenn sie sich gegenseitig in den Wahnsinn trieben. Aber es gab eine Stimme in ihm, die Zweifel säte. Eine Stimme, die ihm einflüsterte: „Wer weiß? Vielleicht hat sich alles geändert. Für ihn. In ihm. Immerhin, er hat nie eine Botschaft senden lassen. Und er ist gegangen.
Gegangen, gerade als ...“
Bjanar griff sich an die Stirn, als könne er dadurch die trübseligen Gedanken zum Schweigen bringen. Zu oft hatte er in der jüngsten Zeit gegrübelt. Nun konnte er kaum davon ablassen. Ihn fröstelte; nicht vor Kälte, sondern vor innerer Anspannung. Das Warten machte seinen Geist mürbe.
Flügelschlagen ließ ihn aufblicken. Lauschend legte er den Kopf auf die Seite und hielt inne, als er über sich die Gestalt eines Vogels ausmachte. Er spürte die Präsenz des Tieres mehr als dass er es sah.
Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – erschrak er im ersten Moment, als der Rabe sich mit einem Krächzen auf seine linke Schulter setzte. Selbstverständlich, vertraut, wie die Hunde der Sippe, die von Hand zu Hand strichen, um sich streicheln zu lassen.
Konnte ein Herz im selben Augenblick aufgeregt zu pochen beginnen, wie es sich nach einem kleinen Schreck beruhigte?
„Ich weiß genau, dass du es bist“, raunte Bjanar mit belegter Stimme in die Dunkelheit hinein. Prüfend sah er sich um, bevor er sich duckte und mit dem Raben auf der Schulter unter eine majestätische Weide kroch. Ihre Äste breiteten sich wie die Reifröcke einer edlen Dame über ihnen aus. „Komm schon, zeig dich.“
Der Rabe krächzte leise und schmiegte seinen gefiederten Kopf gegen Bjanars Wange, bevor er sich fallen ließ und zu einer Kugel zusammenrollte. Fasziniert sah Bjanar zu, wie um die Vogelgestalt irisierende Nebelschwaden zu schweben begannen, die an Masse zunahmen und sich verdichteten, bis an ihrer Stelle Tandur vor ihm kniete. Und lächelte, nein, strahlte.
Er hatte sich kaum verändert. Die Augen fast zu schräg für sein Gesicht, die Nase
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