Sommerliebe
Sex.«
»Meine … was bitte? Gier nach Sex? Was ist das – Sex? Oder Gier? Ich kenne beides nicht. Was sind das für Begriffe?«
Heinz Bartel mußte lachen, aber nur kurz, dann fuhr er fort, seinen Freund zu attackieren.
»Weißt du, daß mich zwei Dinge an dir stören?«
»Darf ich erfahren, welche?«
»Erstens dein Charakter. Zweitens der Grashalm in deinem Maul, wenn du mit mir sprichst.«
Rolf spuckte das Ding aus.
»Davon kann ich dich befreien«, sagte er. »Aber nicht von meinem Charakter, in deinem Interesse nicht. Wäre der nämlich besser, würde er nicht mehr zu dem deinen passen.«
»Rolf …«
»Ja?«
»Du mußt doch zugeben, daß ich recht habe.«
»Inwiefern?«
»Wenn ich dir auf den Kopf zusage, daß du nur auf eine wartest, die in die Fußstapfen deiner Charlotte tritt.«
»Und du auf eine in die Fußstapfen deiner.«
Von irgendwoher kam ein großer bunter Badeball angerollt.
»Elsbeth!«
Das war der Schrei einer ängstlichen Mutter, der über die Dünen hallte. Elsbeth, das kleine Töchterchen, entdeckte ihren Ball zwischen den beiden jungen Männern. Sie näherte sich und begann zutraulich ein Gespräch. Als erstes teilte sie den zweien mit: »Der Ball gehört mir.«
»Ich dachte schon, du willst ihn mir schenken«, antwortete Rolf Wendrow.
Die Kleine war schätzungsweise vier Jahre alt.
»Du bist aber groß«, sagte sie.
»Ich bin so groß geworden, weil ich, als ich noch so klein war wie du, immer schön artig alles gegessen habe.«
»Hör auf, das tut mir weh«, ließ sich Heinz Bartel vernehmen.
»Was tut dir weh?« fragte die Kleine ihn.
»Elsbeth, wo bist du, komm her!« tönte es über die Dünen.
»Dem Onkel«, sagte Rolf, »tut weh, daß du noch keine fünfzehn Jahre älter bist. Dann könntest du ganz bestimmt seinen Schmerz lindern.«
»Ich bin vier Jahre alt«, gab die Kleine bekannt.
»Elsbeth, kommst du nun her oder nicht!«
»Heißt du Elsbeth?« fragte Rolf.
»Ja.«
»Dann ist das wohl deine Mami, die dich da ruft?«
»Ja, das tut sie immer.«
»Und du?«
»Manchmal komme ich, manchmal nicht.«
»Elsbeth, kommst du nun her oder nicht!« wiederholte sich der Ruf ihrer Mutter.
Die Kleine schien kurz nachzudenken, dann entschloß sie sich, dem Ruf heute Folge zu leisten.
»Du bist aber nicht so groß«, sagte sie zum Abschied zu Heinz Bartel, der ihr kopfschüttelnd nachblickte und dann seinen Freund fragte: »Weißt du, an wen die mich erinnerte?«
»An wen?«
»An den berühmten Dackel von Karl Valentin.«
»Wer ist Karl Valentin?«
»Ist das dein Ernst? Du kennst Karl Valentin nicht?«
»Nein, tut mir leid.«
»Münchens großen Komiker mit hohem literarischem Rang?«
»Seit wann?«
»Ich gebe zu, noch nicht allzu lange. Mag sein, daß er noch als Geheimtip gilt. Aber warte nur, wie groß der noch wird. Spätestens nach seinem Tode werden ihn die Deutschen auf ein Podest erheben.«
»Und was ist mit seinem Dackel?«
»Den hat er im Park dabei und ruft ihn auch ständig ergebnislos: ›Kommst du her oder nicht!‹ Daraufhin sagt ein Spaziergänger zu ihm:
›Herr Valentin, ich kenn Sie ja, Sie tun mir leid, mit dem haben Sie auch Ihr Kreuz. Der folgt Ihnen nicht im geringsten.‹ – ›Im Gegenteil‹, widerspricht Karl Valentin, ›er folgt mir aufs Wort, er kommt her oder nicht.‹ «
Rolf Wendrow lachte schallend, klopfte sich auf die Schenkel und rief: »Schön blöd!«
»Über diese ›Blödheit‹«, sagte Bartel überzeugt, »werden noch Doktorarbeiten geschrieben werden.«
Plötzlich sprang er auf und wischte und klopfte sich den Sand von der Hinterseite seiner Badehose.
»Was machst du?« fragte ihn Rolf.
»Ich gehe ins Wasser. Kommst du mit?«
»Nee, ich warte lieber, bis du mir sagen kannst, ob's warm genug ist.«
»Warm genug, was heißt das bei dir?«
»Vierundzwanzig Grad.«
»Großer Gott, dann wirst du hier nie zum Baden kommen, du Supersportler. Das ist nicht der Rhein, der auf dich wartet.«
»Der äußere Eindruck von mir täuscht, ich habe empfindliche Bronchien.«
Heinz Bartel winkte verächtlich ab, wandte sich dem Meer zu, lief durch den Sand und warf sich in den Gischt der mittelstarken Brandung.
Es dauerte lange, bis er wiederkehrte. Rolf vertiefte sich in die Zeitung, die sie mitgebracht hatten. Sie war von gestern.
Gestern hatten er und Heinz auch erst Einzug in Heringsdorf gehalten. Sie waren mit der Eisenbahn gekommen. Autos besaßen in jener Zeit nur arrivierte Leute.
Die Lektüre, der sich
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