Sommermaerchen
entschuldigst du dich?“, fragte sie stattdessen.
Er stand auf. „Ich entschuldige mich dafür, dich verlassen zu haben, und dafür, dir verschwiegen zu haben, nicht zurückkommen zu wollen. Das war, weil ... Ich wollte nicht so oft in deiner Nähe sein.“
Beatrice schaute ihn ungläubig an. „Wie bitte?“
Er schüttelte den Kopf, in seinen Augen stand Verzweiflung. „Nein, bitte, du verstehst nicht ...“
„Oh, ich verstehe sehr gut. Wenn ich nicht in deiner Nähe weile, kannst du dir natürlich viel mehr Freiheiten herausnehmen und dich in der Stadt nach Herzenslust vergnügen“, sagte sie verbittert. Ihre kühle Stimme stand im krassen Gegensatz zu dem brennenden Schmerz, der sich in ihr Herz bohrte.
„Willst du damit erneut andeuten, ich hielte mir eine Mätresse?“
„Liebe Güte, du bist so scharfsinnig.“
„Und du, Beatrice“, sagte Charles und trat einen Schritt näher, „wandelst auf sehr dünnem Eis. Beschuldige mich nicht der Untreue. Du bist die einzige Frau, die ich begehre.“
Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern und ging in der Kabine umher, um Abstand zu gewinnen.
Charles zählte langsam in Gedanken bis zehn, ehe er erneut das Wort ergriff: „Ich möchte nicht mit dir streiten, Beatrice. Ich kann es dir nicht verdenken, dass du mich verlassen hast. Aber bitte komm zu mir zurück. Es tut mir leid. Bitte vergib mir.“
„Ich weiß nicht, ob ich das kann“, sagte sie, bemüht sich nicht anmerken zu lassen, wie verletzt sie war. „Ich weiß nicht, ob ich dir vertrauen kann.“
Er trat hinter sie. Als er sprach, klang seine Stimme belegt ob der Sehnsucht, die er nach ihr verspürte. „Du musst mir nicht vertrauen. Du musst mich nur lieben.“
Beatrice wirbelte herum. Diese Worte – die magischen Worte – trafen sie unvorbereitet.
Er umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht und blickte sie forschend an. „Bitte, Beatrice, ich brauche dich.“
Sie wusste nicht, ob sie ihm glauben konnte, aber es war ihr gleich. Die Worte hatten ihren Widerstand dahinschmelzen lassen, und sie vergab ihm. Sie liebte ihn. Das wusste sie seit Monaten schon. Sie hatte mit ganzer Kraft versucht, ihre Liebe zu verleugnen, aber nun war es ihr nicht mehr länger möglich. Er hatte sie gebeten, ihn zu lieben und das tat sie. Es bedeutete zwar nicht, dass er ihre Liebe erwiderte, aber er brauchte sie.
Charles verschloss ihre Lippen mit einem Kuss, den sie leidenschaftlich erwiderte. Als er versuchte, sie auszukleiden, half sie ihm. Und als er sie aufs Bett legte, zog sie ihn zu sich und flüsterte seinen Namen. Gemeinsam wiegten sie sich im Spiel der Liebe und wurden eins.
Erschöpft und zufrieden lagen sie später einander in den Armen. Zärtlich strich Beatrice ihm über den Rücken und lauschte seinem gleichmäßigen Atem. Er schien zu schlafen. Sie wusste, die Mauer, die er um seine verletzte Seele errichtet hatte, war so hoch, dass es ihr vielleicht nie gelingen würde, sie niederzureißen. Kurz bevor auch sie einschlief, flüsterte sie: „Ich liebe dich.“
Charles schlief indes nicht. Er hatte ihre Worte gehört. Als er sich deren Bedeutung bewusst wurde, überflutete ihn eine Woge unbeschreiblicher Empfindungen.
Verwunderung, Ehrfurcht und seine Liebe für sie wuchsen in seinem Herzen, wurden so überwältigend groß, dass er glaubte, daran zu zerbersten.
Vielerlei Emotionen verspürte er, aber keinerlei Furcht.
Als Beatrice am Morgen erwachte, war sie allein. Sonnenstrahlen strömten in die Kabine, und als sie sich aufsetzte, sah sie, dass ihre Kleider über den ganzen Boden verteilt waren. Rasch bückte sie sich nach ihrer Chemise, um sich anzukleiden. Doch die abrupte Bewegung verursachte ihr die gewohnte Übelkeit, und sie sank matt in die Kissen zurück.
Kurz darauf trat Charles in die Kabine. „Guten Morgen, ich habe uns Frühstück geholt“, sagte er fröhlich und stellte ein Tablett ab. Dabei fiel ihm ihre bleiche Gesichtsfarbe auf. „Beatrice, ist dir nicht wohl?“
Sie nickte schwach. „Mir ist ein wenig schwindelig, aber sorge dich nicht. Das Schwanken des Schiffes ...“
Er setzte sich neben sie aufs Bett. „Möchtest du etwas Toast und Tee?“
Sie schüttelte den Kopf. „Wann werden wir ankommen?“
„In einer halben Stunde. Kannst du dich fertigmachen?“
Sie nickte. „Ja, sicher fühle ich mich gleich wieder besser. Wem gehört das Schiff?“
Charles lächelte. „Meinem Freund John Stout. Wir haben gemeinsam für das Kriegsministerium nach
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