Sommermond
Geschmack füllte und ihn zum Würgen zwang. Doch spucken konnte er nie. Es waren nur würgende Hustenanfälle, die ihn überkamen und ein bemitleidenswertes Gefühl in ihm weckten.
Er griff nach dem Bund seines schwarzen T-Shirts und zog es über seinen Kopf. Dann faltete er es zusammen und legte es auf das Ende seines Bettes. Unordnung hasste er nach wie vor. Deshalb war ein derartiges Verhaltensmuster normal für ihn.
Als er zurück zum Spiegel trat, sah er, dass die großflächigen Blutergüsse an seinen Seiten verheilt waren. Nur noch gelbstichige Flecken waren zu sehen, die als vergrößerte Ausschnitte der Haut die eines leberkranken Menschen sein könnten.
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Dann zog er die Nase kräftig hoch. Dabei schmerzte sie etwas. Er öffnete die Schranktür neben dem Spiegel und zog sich einen grauen, viel zu weiten Pullover vom Bügel. Diesen streifte er sich über und zog sich die Kapuze über den Kopf. Dann betrachtete er sich von vorn, neigte seinen Kopf dabei mehrmals zur Seite und spielte mit seiner Mimik. Er erkannte sich kaum wieder. Mit der Jacke, die er früher manchmal zum Sport getragen hatte, und den kurzen Haaren sah er schon fast zu passend für die Drogenszene aus. Es wirkte, als hätte er sich nie anders gekleidet. Die Jacke unterstrich das Gefühl seines neuen Seins. Mit ihr fühlte er sich gut ausgerüstet für das, was er vorhatte.
Er grinste, hob aber wenige Sekunden später die Hand, um sich dieses dämliche Grinsen von den Lippen zu wischen. Es war zu lieb, zu harmlos. Dann grinste er noch einmal und kniff seine Augen dabei leicht zusammen. Schon besser. Jetzt schmückte ein dreckiges Grinsen seine Lippen, das dem des Spaniers recht nahe kam. Er betrachtete sich noch ein letztes Mal, bevor er die Kapuze wieder von seinem Kopf schob, sich umwandte und zum Bett schritt. Er setzte sich auf die weiche Matratze und begann nervös mit den Füßen auf den Boden zu tippeln.
Rechts neben ihm lag sein Handy. Er wartete auf eine SMS, die ihm mitteilen sollte, wohin er fahren musste. So hatten sie es abgemacht: Wichtige Informationen immer ganz zum Schluss. Das war Regel Nummer eins.
Zu seiner Linken lag ein mit braunem Papier umwickeltes Päckchen. An einer Ecke hing das Packpapier schlaff herunter. Alex hatte den Inhalt kurz inspiziert. Vielleicht, weil er geglaubt hatte, doch noch aus diesem Albtraum zu erwachen, vielleicht aber auch, weil in ihm – wie in jedem Menschen – eine Neugierde lebte, die in derartigen Situationen aus einem herauskroch. Erwartet hatte ihn allerdings nichts Neues. In dem gebündelten Paket befanden sich sauber sortierte und abgewogene Plastikbeutel mit weißem Pulver.
„Pro Beutel ein Gramm Koks“ , hatte der Spanier gesagt.
Alex‘ Magen zog sich zusammen. Er glaubte, jeden Moment wieder husten und würgen zu müssen, schaffte es aber dieses Mal, sich zusammenzureißen.
Unter dem Päckchen klemmten Geldscheine.
„Deine angeblichen Einnahmen und dein Wechselgeld“ , schallten die Worte des Spaniers in ihm wider.
Der Plan war einfach: Er sollte sich in die Drogenszene begeben. Wohin genau, würde er in der erwarteten SMS erfahren. Dort würde er das Koks verticken und sich dabei bewusst in den Vordergrund drängeln. So lange, bis ein Dealer auf ihn aufmerksam werden würde, der die Gegend als sein Revier erklärte, in dem niemand etwas zu suchen hatte, weil sie ihre Kunden nicht an Fremde verlieren wollten. Sie würden Alex verscheuchen und Alex würde sich verscheuchen lassen. Aber nur kurz. Er würde eine Weile abwarten, dann aber zurückkehren und seinen Job weiter ausführen. Spätestens dann würden die anderen Dealer misstrauisch werden und ihn härter anpacken. Vermutlich würden sie sich körperlich an ihm vergreifen. Das war zu erwarten. Der Spanier war sich dieser Sache sicher. Bei dem körperlichen Übergriff sollte Alex stürzen und dabei das Koks und Geld aus seiner Tasche rutschen lassen. Die Typen würden die Geldmenge sehen und erstaunt sein. Sie würden ihn fragen, ob er diese Menge Geld tatsächlich allein und an nur einem Tag eingenommen hätte. Diese Frage würde Alex bejahen und daraufhin zu einem höheren Tier der Bande geschleppt werden. Dort würde er erneut ausgequetscht werden. Wenn er sich dabei gut anstellte, würden sie ihn bei sich aufnehmen und damit in ihre Kreise schleusen wollen. Das lag auf der Hand, wenn sie ihn für eine gute Einnahmequelle hielten, die sie sich nicht entgehen lassen
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