Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
Vom Netzwerk:
Ausgang machte. Wieder waren in der Ferne einfahrende Züge zu hören. Dazu eine schallende Lautsprecherdurchsage. Alex ließ seine Hände in den Taschen und drückte die sich darin befindenden Sachen so weit in sie hinein, wie er nur konnte. Seine Füße fühlten sich taub an. Die Turnschuhe bewiesen statt Bequemlichkeit Enge, die an seinem verbundenen Knöchel drückte. Seine Zehen waren kalt, seine Hände ebenfalls.
    Zielstrebig schritt er durch die Menschenmassen. Dieses Mal ließ er die anderen ausweichen und entschuldigte sich nicht, wenn sie ihn anrempelten. Er steuerte auf den Ausgang des Bahnhofes zu, schob sich an einem Kinderwagen vorbei und trat an die frische Luft. Dort blieb er einen kurzen Moment stehen, bevor er zur Seite ging und sich neben einen Mülleimer stellte. Vorsichtig zog er seine Zigaretten unter dem Geld hervor und fummelte sich eine Marlboro aus der Schachtel. Die zündete er an und rauchte sie. Das Nikotin beruhigte ihn etwas und übertönte das letzte bisschen Aufgekratztheit in seinem Inneren. Seine Züge waren kräftig. Mal pustete er den Qualm in einem langen Strahl aus, mal formte er kleine Ringe, die nach oben zogen, dabei größer wurden und dann in der Luft verliefen.
    Den ersten Teil seines heutigen Abends hatte er gut überstanden und nicht einmal schlecht ausgeführt. Er hatte sogar knapp 400 Euro verdient. Wenn man bedachte, dass manche Leute für einen derartigen Monatslohn mehrere Tage pro Woche hinter einem Tresen stehen oder Pizza ausfahren mussten, war das beachtlich.
    Er nahm einen letzten Zug, bevor er die verbrauchte Zigarette zu Boden fallen ließ und sie austrat. Gleich darauf nahm er sich die nächste und rauchte sie etwas genüsslicher. Eigentlich hatte er das teure Laster längst aufgeben wollen und es sogar für wenige Tage geschafft. Aber in Anbetracht der Umstände fühlte er sich nun nicht mehr dazu in der Lage.
    Gedankenverloren beobachtete er die vielen Menschen, wie sie hektisch umher eilten und wie buntes Konfetti aus dem Bahnhof strömten. Es waren Verheiratete, Studenten, junge Eltern, Omas und Opas; Reiche und Arme. Alex fühlte sich der Masse fremder als je zuvor. Eine imaginäre Bande hing zwischen ihm und all den anderen. Eine Bande aus Glas, durch die sie sich zwar sehen und beobachten konnten, aber weder ahnten, was sich im jeweils anderen Leben abspielte, noch sich dafür interessierten. Während die farbenfrohen Leute sich also über langweilige Alltagsprobleme die Köpfe zerbrachen, stand Alex unterkühlt neben dem Bahnhof, hatte illegales Koks in seiner Tasche und musste sich psychisch darauf vorbereiten, den Russen mit einer bewussten Rückkehr in den Bahnhof zu provozieren.
    Er schmiss den zweiten Zigarettenstummel zu Boden und trat ihn mit seinem Fußballen aus. Dann nickte er, als ob er die sich selbst gestellte Frage, die Sache jetzt weiterzuführen oder nicht, beantwortete, und schritt zum Haupteingang zurück. Wieder passierte er die kleinen, bunten Läden, sah dabei Leute, die Kaffee oder Bier tranken, und Jugendliche, die von Handpizzen abbissen. Er ging so lange geradeaus, bis er an genau dem Platz ankam, an dem er bis vor einer halben Stunde gearbeitet hatte und stellte sich wieder mit dem Rücken zur Wand. Dabei winkelte er sein linkes Bein an und drückte seinen verletzten Fuß gegen das Gemäuer. Während er die Kapuze zurück über seinen Kopf zog, machte er die gewohnte Geste, sich vereinzelte Haarsträhnen aus dem Gesicht zu kämmen. Natürlich waren da keine Strähnen mehr, aber diese Tatsache registrierte er nur beiläufig. Er blickte durch die Gänge. Seine Pupillen bewegten sich dabei unentwegt von links nach rechts. Den Russen konnte er nirgends sehen. Dafür aber zwei Securities, die mit jeweils einem Arm auf dem Rücken vor einem Kiosk standen. In ihren Gürtel baumelten Schlagstöcker und Funkgeräte.
    Alex wurde nervös. Er kaute auf seiner Unterlippe. In seiner Tasche umklammerte er den Beutel Koks. Die beiden Wachmänner tranken ihren Kaffee aus und warfen die Pappbecher in den Müll. Dann wandten sie sich um und steuerten zielstrebig auf ihn zu. Das glaubte Alex zumindest. In Wahrheit bogen sie jedoch weit vor ihm entfernt ab und führten ihren Weg in eine andere Richtung fort. Alex starrte ihnen hinterher. Erleichterung kroch in ihm empor und ließ ihn laut durchatmen. Nur einen Moment später blieb ein blasser Deutscher vor ihm stehen.
    „Haste was?“, hauchte er. Seine Stimme klang unüblich hoch.
    Alex zuckte

Weitere Kostenlose Bücher