Sommermond
und das Blut.
Als er merkte, dass er in einen wachen Albtraum abzurutschen drohte, riss er seine Augen auf. Sein Herz schlug hart gegen seine Brust, seine Halsschlagader pochte schnell an seinem Hals. Er atmete schwer.
Er wollte sich gerade von der Wand wegdrücken und sich weiter umschauen, als ein Türke an ihm vorbeischlich, sich umschaute und einen halben Meter von ihm entfernt stehen blieb. Er sah Alex nicht einmal an, während er mit der Zunge in seiner Wangentasche bohrte.
„Wie viel?“, flüsterte er dann.
Alex‘ Augenbrauen zogen sich zusammen. Er brauchte eine Weile, bis er begriff, was los war. Diese Erkenntnis bescherte ihm ein kurzes Gefühl von Erleichterung und Stolz, weil er geschafft hatte, was er hatte schaffen sollen. Doch diese positiven Gefühle wurden gleich darauf von Angst und Unsicherheit überdeckt.
„Nun sag schon“, zischte der Türke und zog seine Nase kräftig hoch. „Wie viel?“
Alex starrte ihn an. Dann räusperte er sich und versuchte sich an die Worte des Spaniers zurückzuerinnern.
„Solltest du tatsächlich was verticken, tust du das nicht unter 70 Euro. Versta n den?“ , hatte er in seinem spanischen Akzent befohlen.
Alex verstand natürlich, dass sich das auf den Grammpreis bezog. Erneut räusperte er sich. Der Türke trat von einem Fuß auf den anderen und schien ungeduldig zu werden.
„90“, sagte Alex.
„ 90? “, hakte der Türke nach. Er rieb sich mit der Hand über die Lippen. „75“, sagte er dann. „Zweimal 75. Mehr nicht.“
Alex verstand den monotonen Handel und nickte wortlos. Er griff in seine Tasche und versuchte das Packpapier etwas weiter zu öffnen. Der Türke warf ihm einen kurzen Blick zu und zog drei Fünfziger aus seiner Hosentasche. Er spielte so auffällig mit ihnen, dass Alex sah, dass es sich um 150 Euro handelte. Er wurde nervös. Das Papier ließ sich nur schlecht lösen. Seine Finger zitterten.
„Na, wird’s bald?“, fauchte der Türke.
Alex fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und versuchte sich zu beeilen. Dann schaffte er es endlich, zog das raue Papier herunter und fummelte zwei kleine Tüten aus dessen Mitte. Diese ließ er in seiner Faust verschwinden und sah sich ängstlich um. Niemand schien sie zu beobachten. Er rückte noch dichter an die Wand, führte seinen Arm an seine Seite und ließ die Beutel unauffällig in eine dreckige Ecke neben den Schließfächern fallen. Dann trat er zur Seite, so dass der Türke seine vorherige Position einnehmen konnte, sich bückte, das Koks aufhob und die Geldscheine hinter die Fächer klemmte. Auch er blickte sich noch einmal um, bevor er schnellen Schrittes davon eilte und schließlich in dem Meer aus Menschen unterging.
Alex blieb aufgeregt zurück. Er konnte nicht glauben, was er gerade getan hatte. Er wartete noch einen ganzen Moment, bevor er zurück in die Ecke taumelte, das Geld herauszog und es in seine Tasche stopfte. Als er es sicher verstaut hatte, lehnte er seinen Kopf gegen die Wand und holte tief Luft.
„Fuck …“, murmelte er beim Ausatmen.
Als er darüber nachdachte, dass eigentlich Diego für diesen Mist ausgerichtet worden war, musste er dumpf auflachen. Das war eine bittere Ironie. Erst tötete der Italiener fast Ben, haute dann mit den 40.000 Euro ab und hinterließ dabei noch einen Berg Scheiße, den Alex nun ausbaden musste.
Nach dem Türken folgten noch drei weitere Kunden . Alex wusste nicht, ob das viel oder wenig war. Er kannte sich nicht in dem Metier aus. Bei keinem der Kunden ließ seine Nervosität nach. Er war unsicher und aufgeregt. Doch die beiden Kerle und auch die Tussi (eine Punklady mit Lederjacke und schwarzgrün gefärbten Haaren) schienen dies nicht bemerkt zu haben. Demnach wirkte er nach außen sicher und seriös.
Seriös . Bei diesem Gedanken musste er schon wieder lachen. Aber nur kurz und sehr leise. Einen Gramm Koks hatte er für durchschnittlich 80 Euro verkauft und war zufrieden damit. Das Geschäft schien gut zu laufen. Vielleicht sollte auch er sich ein zweites Standbein damit aufbauen? Nur, falls das mit dem Studium nicht mehr klappen sollte.
Erneut lachte er. Wieder kurz und wieder leise. Und als er aufsah, entdeckte er jemanden auf der gegenüberliegenden Seite, wie er auf und ab schritt und ihn zu observieren schien. Erst diese Auffälligkeit erinnerte Alex an sein eigentliches Vorhaben zurück. Ein innerer Schauer jagte durch seine Eingeweide und hinterließ einen schnelleren Herzschlag.
Mittlerweile war es
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