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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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mit den Schultern. „Wenn du genug zahlen kannst.“
    „Für Gras zahl ich nich‘ viel“, nuschelte der Kerl.
    Von seiner schwarzen Regenjacke ging ein übler Gestank aus. Es roch, als hätte er eine ganze Flasche Bier darauf vergossen. Vor Tagen.
    „Du bist bei mir falsch“, sagte Alex. „Ich hab‘ kein Gras.“
    „Kein Gras?“, hakte der Typ nach. „Ich wette, du hast Gras! Ich wette, du willst es mir nicht geben.“
    Alex verzog sein Gesicht, als der Typ ihm zu nahe kam.
    „Nein, Mann!“, wehrte er ab. „Und jetzt verpiss dich!“
    „Ich wette, du hast Gras“, wiederholte sich der Kerl und kam noch näher.
    „Als ob Gras deine kleinste Sorge wäre“, rutschte es ungewollt aus Alex heraus.
    In den sonst trüben Augen des Kerls erwachte ein Funkeln. Als er laut atmete, schwebte ein scharfer Geruch nach Alkohol zu Alex herüber.
    „Willste Ärger?“, fragte der Kerl und verteilte seine Spucke beim Sprechen auf Alex‘ Gesicht.
    Alex hob seine Hände und wischte es sich von den Wangen.
    „Verpiss dich!“, fuhr er den Kerl an und wurde dabei lauter.
    Die Situation drohte zu eskalieren. Der Typ war zu besoffen, als dass man vernünftig mit ihm diskutieren konnte.
    „Ah, du willst Ärger“, sagte er. „Ich wette, du willst Ärger …“
    Er trat nun so nahe, dass Alex sich unbewusst fester gegen die Wand drückte. Dabei jagte ein unangenehmer Schmerz durch seinen in dieser Position gequetschten Fuß. Er ließ ihn von der feuchten Wand rutschen und trat vorsichtig auf.
    Der Kerl hielt seine Hände zu Fäusten und wetzte sich die Zähne.
    „Mann, ich will keinen Ärger!“, wehrte sich Alex. „Aber ich hab‘ kein beschissenes Gras!“
    „Ich wette, du hast welches“, entgegnete der Typ nun schon zum dritten Mal. „Ich kann ja mal nachschauen.“
    Mit diesen Worten schloss er die letzte Lücke zwischen ihnen und packte Alex‘ Arme – bereit, sie aus den Pullovertaschen zu zerren. Alex erstarrte vor Schreck. Er wusste nicht, was er tun sollte, während er sich das Bild der beiden Wachmänner mit ihren Schlagstöcken zurück in den Kopf rief. Mit einem Mal wich jegliches Selbstbewusstsein von ihm und hinterließ nur ein kleines Häufchen Elend, das mit weit aufgerissen Augen auf den Mann vor sich starrte. Er machte sich darauf gefasst, dass der Typ handgreiflich werden würde; dass sich dabei das ganze Koks und Geld aus seinen Taschen lösen und sich öffentlich auf dem Boden verteilen würde. Er stellte sich vor, wie dann zahlreiche Passanten stehen bleiben und schaulustig zusehen würden, während der Vernünftigste von ihnen die Polizei rief. Die würde ihn dann abführen und einsperren. Und alles, was dann folgen würde, wäre eine blanke Katastrophe.
    Doch soweit kam es nicht. Die kalten Hände des Kerls ruhten noch immer auf seinen Pulloverärmel, und gerade als er Alex‘ Arme aus den Taschen reißen wollte, tauchte plötzlich der Russe hinter ihm auf und befreite Alex aus der Situation. Er schubste den Kerl zur Seite und warf ihm vulgäre Ausdrücke an den Kopf. Der Kerl hob schützend die Hände vors Gesicht und kauerte einige Sekunden nach vorn gekrümmt auf der Stelle, bis er sich aufrichtete und wegrannte.
    Alex hatte die Szene beobachtet und war überrascht, wie kleinlaut der Kerl gegenüber dem Russen geworden war.
    „Wow“, sagte er deshalb. „Das ging ja schnell.“
    Doch dieses Mal wirkte der Russe weniger freundlich. Sein hartes Gesicht sah finster aus, seine Augen bildeten schmale Schlitze. Er schnaubte so kräftig, dass sich seine großen Nasenlöcher noch stärker weiteten. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt.
    Alex starrte ihn an und fragte sich ernsthaft, ob der Kerl, der soeben vom Russen verscheucht worden war, vielleicht das geringere Übel gewesen wäre.
    „Hatte ich dich nicht gebeten, dich zu verpissen?“, fragte der Russe.
    Alex schluckte so stark, dass er seinen Kehlkopf spürte.
    Der Russe trat auf ihn zu, zerrte ihn von der Wand und schleifte ihn mit zum Ausgang. Zumindest hatte Alex das Gefühl, geschleift zu werden. In Wirklichkeit wurde er jedoch nur zum Ausgang geleitet. Ansonsten wären die Leute aufmerksam auf sie geworden.
    Als sie draußen ankamen, schubste der Russe Alex von sich weg.
    „Bist wohl schwer von Begriff, was?“, zischte er.
    Alex erwiderte nichts. Er versuchte sein Gleichgewicht zurück zu erlangen und stopfte das Koks, das durch das Schubsen etwas verrutscht war, zurück in die Tiefen seiner Taschen.
    „Der Kerl da“,

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