Sommermond
daraufhin grob zusammenschob und über seine Daumen fächern ließ. In der Zwischenzeit ließ Iwan von Alex ab. Der Blonde nahm seine Arme nach vorn und rieb sich die Handgelenke.
„Das ist in der Tat eine Menge Geld“, sagte Pawlow. Er zählte es grob ab und teilte es in zwei Hälften. Die kleinere davon streckte er in Alex‘ Richtung. Doch der reagierte nicht.
„Was soll der Scheiß?“, fuhr er sein Gegenüber an.
Der alte Mann zuckte gelassen mit den Schultern. Das viele Geld ließ er in der Innentasche seines grauen Mantels verschwinden.
„Das könnte immer so laufen“, sagte er dazu.
„Ich hab‘ keine Ahnung, wovon Sie reden!“, fuhr Alex ihn an. „Ich will jetzt mein Geld zurück!“
Er war ein guter Schauspieler. In Wahrheit stellte ihn die Entwicklung des Geschehens zufrieden. Noch immer schien alles so zu laufen, wie der Spanier es vorhergesehen hatte. Alex konnte es kaum fassen.
„Das ist ein Geben und Nehmen“, fuhr Pawlow fort.
Alex legte seine Stirn in Falten und blickte fest zurück.
„Also für mich sieht das nur nach Nehmen aus“, sagte er dann.
Pawlow lachte heiser. Er schien ehrlich amüsiert. Am Ende blieben seine Lippen ein schmales Lächeln. Er drehte sich um und schritt zu seinem Mitbringsel. Dort blieb er stehen, neigte seinen Kopf etwas zur Seite und wandte sich an Iwan.
„Ihr erklärt ihm alles Weitere“, bestimmte er.
„Natürlich“, entgegnete Iwan.
Alex verstand nicht ganz. Irritiert blickte er von Iwan zu Pawlow und wieder zurück. Insgesamt tat er das dreimal und beim letzten Mal vermischte sich die Silhouette des alten Mannes schon wieder mit der Dunkelheit, neben ihm der Schatten des vermeintlichen Leibwächters.
Alex blickte ihnen nach. Erst als Sergej ihn von der Seite antippte und ihm seine Sachen entgegenhielt, erwachte er aus seinem nachdenklichen Zustand. Er nahm das Handy, sein Portemonnaie und den Schlüsselbund und stopfte alles zurück in seine Taschen.
„Hör zu!“, flüsterte Iwan. Er sah sich kurz um und vergewisserte sich, von niemandem beobachtet zu werden. „Wir kennen die besten Ecken und haben einen großen Kundenkreis.“
Alex sah ihm fest in die Augen und untersagte sich jegliche Mimik.
„Und du hast eine hübsche Fresse und ein gutes Händchen“, fuhr Iwan fort. „Wir arbeiten fortan zusammen. Verstanden?“
Die Frage hätte er sich sparen können. Was war daran nicht zu verstehen? Der Beschluss stand fest. Und damit hatte Alex erreicht, was er erreichen wollte. Er freute sich schon darauf, dem Spanier diese großartigen Neuigkeiten mitzuteilen. Eine absurde Freude. Aber sie war da.
„Wir beschaffen dir ausreichend Zeug und du vertickst für 30 Prozent der Einnahmen“, erklärte Iwan.
Er sprach schnell und wirkte etwas aufgeregt. Seine blasse Haut leuchtete im Mantel der Dunkelheit.
„30 Prozent sind mehr als du im Alleingang verdienen würdest“, meinte Iwan. „Wir bieten dir kundenreiches Terrain und im Gegenzug verschaffst du gutes Geld. Verstanden?“
Alex nickte kaum merklich. Natürlich verstand er. Der Plan war für ihn nichts Neues. Zigmal hatte er ihn mit dem Spanier durchgekaut. Dennoch musste er in seiner Rolle bleiben und zumindest einigermaßen überrascht wirken.
„Ich weiß nicht“, dachte er laut. „Und wenn ich nicht will?“
„Entweder stimmst du jetzt zu oder du verpisst dich und tauchst nie wieder hier oder irgendwo anders auf, wo wir arbeiten! Sonst machen wir dir dein Leben zur Hölle“, erwiderte Iwan.
Mein Leben ist schon die Hölle , dachte Alex.
Er senkte kurz den Blick, sammelte all sein gespieltes Selbstbewusstsein zusammen und schaute streng wieder auf.
„Einverstanden“, sagte er knapp.
Daraufhin streckte ihm Iwan eine Hand entgegen. Schon zum zweiten Mal an diesem Abend. Sergej stand neben ihnen und starrte mit gierigen Augen auf Alex‘ Hände. Alex warf ihm einen abwertenden Blick zu. Er konnte sich gut vorstellen, dass mit seinem Einverständnis ein großer Bonus für die beiden heraussprang. Er kaute sich noch einmal fest auf die Unterlippe, bevor er seine Hand hob und sie in einer bedeutenden Geste in die Iwans legte. Der schüttelte sie kräftig.
„Deal“, sagte er dazu.
Das traf im doppelten Sinne zu.
Die seltsam freundschaftliche Art des Russen erinnerte Alex an das Sprichwort „Wolf im Schafspelz“ . Solange Iwan sein Schafkostüm trug, war er ganz sympathisch. Wenn er es aber auszog, bekam man es schnell mit der Angst zu tun.
„Und wie geht’s jetzt
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