Sommermond
Vertrauen gewinnen und später über einen großen, inszenierten Deal an ihren Hintermann gelangen.
Auf halber Treppe blieb er stehen und wollte sich wieder umdrehen, um den ganzen Kram in sein Zimmer zurückzubringen, als plötzlich Jo am Fuße der Treppe auftauchte und seinen Namen rief.
„Du hast mit Ben telefoniert?“, fragte Jo.
Alex warf ihm einen herablassenden Blick zu.
„Spionierst du mir jetzt nach, oder was?“, gab er gereizt zurück.
„Nein“, verteidigte sich Jo. „Ich habe seine Nummer zufällig im Telefon gesehen.“
„Wer’s glaubt…“
Erneut wollte er sich abwenden, doch da hörte er schon Jos Schritte, wie sie auf ihn zueilten.
„Habt ihr euch ausgesprochen?“, fragte Jo.
Alex traute seinen Ohren nicht. Normalerweise war sein Vater der letzte, der sich für derartige Details interessierte.
„Was geht’s dich an?“, fragte er deshalb.
Mit seiner Hand umklammerte er das Geld und die Drogen. Die Situation machte ihn nervös. Er befürchtete, ihm könnte etwas aus der Tasche fallen, das seinen Vater dann zu etlichen Fragen bewegen würde.
„Ich mache mir Sorgen um dich“, sagte Jo.
„Tz…“ Alex lachte dumpf auf.
Wieder wollte er gehen, doch dieses Mal hielt Jo ihn mit sanfter Gewalt am Arm zurück. An dem Arm, dessen Hand sich wie ein schützender Käfig um den Inhalt seiner Taschen klammerte.
„Lass mich los, verdammt!“, fluchte Alex und versuchte Jos Hand abzuschütteln, ohne seine eigene dabei aus der Tasche ziehen zu müssen.
Jo blickte ihn skeptisch an, gehorchte aber. Er nahm seine Hand zurück und seufzte laut.
„Alex“, fuhr er dann ruhig fort, „ich habe auch meine Probleme. Der Zeitungsartikel hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen.“
„Ich muss gleich kotzen“, rutschte es aus Alex.
Eigentlich hatte er diese Worte nur denken und nicht sagen wollen, weil er es als pervers empfand, mit was für unwichtigen Problemen ihn sein Vater nervte, während er selbst tiefer in der Scheiße steckte als je zuvor. Bei Jo ging es um Geld. Mehr nicht. Bei ihm ging es ums Überleben.
„Du hast dich wieder so … so verändert “, meinte Jo und betonte sein letztes Wort recht fragwürdig.
Alex sah zu ihm herab. Sein Vater stand zwei Stufen tiefer. Er hatte keine Lust, sich eine gekünstelte Moralpredigt anzuhören. Die von Ben genügte ihm vorerst.
Deshalb wagte er keinen weiteren Versuch, zurück in sein Zimmer zu kehren, sondern drängelte sich stattdessen an Jo vorbei in Richtung des unteren Flurs. Das Geld und die Drogen würde er für die Zeit seines Besäufnisses im Handschuhfach seines BMWs verstecken. Er hatte ohnehin vorgehabt, sich ein Taxi zu rufen. Denn das letzte, was er in seiner Situation gebrauchen konnte, war, betrunken hinterm Steuer erwischt zu werden.
Mit verärgertem Gesichtsausdruck schritt er zur Haustür und fischte sich eine wetterfeste Jacke von der Garderobe. Anschließend zog er seine Schuhe unter der Garderobe hervor. Als er zwischendurch aufblickte, stand Jo wieder neben ihm.
„Wirst du wieder bedroht?“, fragte er.
Alex war bemüht, nicht laut loszulachen. Es war zu komisch, wie gelassen Jo über dieses Thema sprach. Einfach so, zwischen Tür und Angel.
„Nein, werd‘ ich nicht“, gab er stattdessen zurück.
„Ben wollte dir doch nur helfen, als er der Polizei alles gesagt hat“, fuhr Jo ungehemmt fort.
Alex zuckte mit den Schultern.
„Erstens“, entgegnete er, während er seinen linken Fuß in den linken Schuh stopfte, „geht dich das nichts an und zweitens…“ Jetzt stopfte er seinen rechten Fuß in den rechten Schuh. „Ben kann mir künftig gestohlen bleiben.“
Mit diesen Worten richtete er sich wieder zu seiner vollen Größe auf – die ganze Zeit darauf bedacht, seine Hand nicht aus der Tasche rutschen zu lassen.
„Und wo willst du jetzt schon wieder hin?“, fragte Jo.
„Das“, antwortete Alex und streckte seine Hand nach der Türklinke aus, „geht dich genauso wenig was an.“
Daraufhin wandte er sich von seinem Vater ab und zog die Tür auf. Doch nur einen Augenblick später erschrak er.
Gehüllt in einen graukarierten Mantel stand Oberkommissar Wagner vor der Tür. Er war allein. In seiner Hand baumelte ein Schlüsselbund, mit dem er ununterbrochen spielte.
„Fuck…“, nuschelte Alex.
„N’Abend“, begrüßte ihn Wagner.
Jo hatte sich derweilen wieder dicht neben ihn gestellt. Alex umklammerte die Drogen in seiner Tasche noch fester und fluchte innerlich. Warum musste
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