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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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ignorierte ihn. Die Schwester stand noch immer in der Tür und blickte die beiden abwechselnd an. Vermutlich wusste sie nicht mit der Situation umzugehen. Alex warf sich seine Jacke über und wandte sich um. Wortlos ging er zur Tür und drängelte sich an der Schwester vorbei aus dem Zimmer. Diese blickte ihm mit großen Augen nach, bevor sie sich noch einmal an Ben wandte.
    „Streit?“, fragte sie und versuchte offenbar einfühlsam zu klingen. Dafür schien sie jedoch noch nicht lange genug in ihrem Beruf zu arbeiten.
    „Ist schon gut“, tat Ben schnell ab.
    „Kann ich Ihnen sonst noch irgendwas bringen?“, fragte sie freundlich.
    „Nein, danke.“
    „Na, dann guten Appetit!“, sagte sie noch, bevor auch sie das Zimmer verließ.
    Als die Tür wieder zu war, stöhnte Ben verzweifelt auf. Schon zum x-ten Mal an diesem Tag verfluchte er seine Situation. Er hatte kein Handy und war an das Krankenhausbett gefesselt. Demnach war er vollkommen hilflos und konnte wieder nichts anderes tun, als abzuwarten. Das machte ihn wahnsinnig. Er fand es unfair, dass Alex einfach abgehauen war. Jetzt, in dieser Situation. Doch es war typisch für den Blonden. Ben hätte besser vorbereitet sein müssen.
    Er seufzte noch einmal genervt, bevor er auf eines der Knöpfchen neben seinem Bett drückte. Gleich darauf begann sich die Kopfseite des Bettes mit einem leisen Surren aufzurichten. Ben versuchte so gut wie möglich, in eine sitzende Position zu gelangen. Doch die Schmerzen setzten ihm Grenzen. So musste er den Tisch letztendlich halb liegend über seinen Schoß ziehen. Er nahm den grauen Kunststoffdeckel vom Teller und warf einen Blick auf das Essen. Es gab undefinierbares Fleisch mit brauner Soße und fast weißen Kartoffeln, die mit etwas Petersilie angerichtet waren. Neben dem Teller stand irgendein Billigjoghurt, der nicht gerade ansprechend aussah. Trotzdem hatte Ben Hunger. Er war jemand, der immer essen konnte – egal, ob ihn etwas belastete oder er unglücklich verliebt war. Essen funktionierte immer.
    Er nahm die Gabel, piekste sich eine Kartoffel auf und zog sie durch die Soße. Dann stopfte er sie sich in den Mund. Sie schmeckte relativ neutral, die Soße etwas versalzen, aber der Hunger trieb es rein. Und so schaffte er es tatsächlich, sich für eine ganze Weile von seinen Gedanken abzulenken. Doch die reine Konzentration auf die Mahlzeit ließ augenblicklich nach, als nur noch der Joghurt übrig blieb. Ben zog die Alufolie ab und begann damit, die himbeerrote Flüssigkeit zu löffeln. Dabei holten ihn seine Sorgen wieder ein und verursachten plötzlich eine aufsteigende Übelkeit in ihm. Er verzog sein Gesicht, stellte den Joghurtbecher wieder ab und schob den Tisch zur Seite. Vermutlich war er längst satt und hatte das körpereigene Signal einfach überhört. Er trank noch einen Schluck Wasser, bevor er sein Bett per Knopfdruck zurück in eine liegende Fläche verwandelte und sich das kleine Kissen so unter den Kopf stopfte, dass er bequem aus dem Fenster schauen konnte. Es war merkwürdig, dass es nicht mehr schneite. Fast, als hätte die Nacht seines Unfalls das Wetter so erschreckt, dass es keinen weiteren Schnee mehr wagte. Aber im Grunde war das längst überfällig. Der März stand vor der Tür und damit der Frühling. Schnee konnte mittlerweile niemand mehr sehen. Auch Ben nicht.
    Leise seufzte er auf. In seinem Kopf kreisten vereinzelte Begriffe: März, Studium, Frühling und Alex. Sie wiederholten sich wie eine Endlosschleife. Sein Verstand warf sie ein wie bei einer Gameshow, bei der erwartet wurde, dass Ben sich zu jedem einzelnen Begriff äußerte. Doch das konnte er nicht. Sie gehörten ohnehin zusammen und vereinten sich allesamt zu einem einzigen Begriff: Zukunft. Genau diese machte ihm Angst. Ja, er wollte zurück nach Flensburg und er freute sich auf seine Familie, seine Freunde und das Studium, aber gleichzeitig wollte er nicht von Alex weg. Nach unzähligen Turbulenzen hatten sie endlich zueinander gefunden und nun befürchtete Ben, dieses Glück mit seiner Abreise zu zerstören. Ihm kamen gleich mehrere, absurde Ideen. Einen Moment lang überlegte er, sein Praktikum bei Jo zu verlängern und dafür ein Semester auszusetzen. Dann wog er ab, Alex mit nach Flensburg zu nehmen. Doch all diese Optionen wären nur Übergangslösungen und würden das eigentliche Problem lediglich um ein paar Wochen verschieben. Welche Möglichkeit also blieb, war eine Art Fernbeziehung, in der sie sich

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