Sommermond
Alex ab. „Bitte keine kitschigen Details über irgendwelche Gefühlsexplosionen bezüglich des Kusses.“
„Okay“, gab Ben verdutzt zurück und zog die zweite Silbe dabei übertrieben lang.
„Gut.“
Dann schwiegen sie eine Zeit lang. Alex starrte auf das Gerät, das Bens Puls und Blutdruck überwachte, während Ben in Richtung des hässlichen Bildes gegenüber seinem Bett schaute.
Er dachte eine Weile an nichts, doch dann tat sich eine Frage in ihm auf, die er unbedingt äußern wollte.
„Wie kommst du überhaupt darauf, dass ich irgendwelche Gefühlsexpl o s i onen hatte?“
Alex blickte ihn verwirrt an.
„Hattest du etwa keine?“, fragte er.
„Darum geht’s doch gar nicht“, erwiderte Ben. „Aber ich wette, du schließt von dir auf mich. Sonst kommt man nicht auf so komische Ausdrücke.“
„Hm“, machte Alex. „Vielleicht.“
Es bahnte sich ein unübersehbares Lächeln an.
„Aber –“, versuchte Ben, wurde aber gleich darauf zum dritten Mal von Alex unterbrochen.
„Aber das ist noch lange kein Grund, sich wie zwei Schwuchteln darüber zu unterhalten“, führte Alex seinen angefangenen Satz zu Ende.
„Aber genau das tun wir doch gerade“, warf Ben irritiert ein.
„Nein, wir reden nur über die Tatsache, dass man, auch wenn man irgendwas Aufregendes spürt …“, holte Alex aus, doch Ben hörte nur noch mit einem Ohr zu. Stattdessen fischte er sein Kopfkissen unter sich hervor und warf es Alex mitten ins Gesicht. „Spinner!“, sagte er dazu.
Das Kissen rutschte von Alex‘ Gesicht auf dessen Schoß. Der Blonde sah einen Moment verwirrt aus, ehe er es Ben zurückgab. Offensichtlich wollte er ihn schonen. Ansonsten hätte er sich gewehrt. Da war Ben sich sicher. Er nahm das Kissen an und stopfte es zurück unter seinen Kopf.
„Mann, Alex …“, stöhnte er. „Wir sind zwei Schwuchteln und können uns deshalb auch wie zwei Schwuchteln über sowas unterhalten.“
„Ich steh‘ aber nicht auf sowas. Egal, ob schwul oder sonst was“, wehrte Alex ab und sah dabei recht angewidert aus.
„Ist ja okay. Ich hab’s verstanden.“
„Gut“, entgegnete Alex „Das gilt nämlich auch für die Zukunft.“
„Ja – ha!“ Ben tat genervt. „Ich hab’s ja verstanden.“
„Warum musst du eigentlich zum Röntgen?“, versuchte Alex das Thema zu wechseln.
„Ach, die wollen sich nur die Lunge angucken, um zu sehen, ob die wieder richtig funktioniert.“
„Okay.“
Ben versuchte eine Weile an nichts zu denken, doch das gelang ihm nicht. Stattdessen musste er plötzlich an Nick und seine Eltern denken, wie sie ihm gesagt hatten, dass sie seine Sachen aus dem Hotel holen würden. Dabei erinnerte er sich sofort an den Brief, der sich noch auf der Fensterbank des Hotelzimmers befinden musste. Der Brief, in dem Alex ihm jeglichen Mist gestanden hatte, den er in den letzten Wochen fabriziert hatte.
„Was ist mit dem Brief?“, platzte es deshalb panisch aus ihm heraus. „Was, wenn meine Eltern den finden und zur Polizei bringen?“
„Keine Sorge“, erwiderte Alex gelassen. Er richtete sich auf und zog ein mehrfach gefaltetes Papier aus seiner Hosentasche, mit dem er stolz vor sich in der Luft wedelte. „Den konnte ich Nick noch gerade rechtzeitig abnehmen.“
In Ben stieg Erleichterung auf. Ihm war klar, dass seine Eltern etwas gegen Alex hatten. Irgendwie war das auch verständlich. In seinem gesamten Leben hatten sie stets hinter ihm gestanden – egal, was er getan hatte. Gleichzeitig hatten sie ihn aber auch beschützt wie eine Mutter ihr Neugeborenes. Deshalb war es ihnen nicht zu verübeln, dass sie Alex‘ aufgrund dessen Einflusses auf Ben nicht leiden konnten. Hinzu kam, dass Ben beinahe gestorben wäre.
„Wissen die eigentlich, dass wir zusammen sind?“, fragte er vorsichtig.
„Nach meinem Auftritt im Hotel schon, denk‘ ich“, antwortete Alex.
„Wieso? Was hast du denn angestellt?“
„Nichts. Ich hab‘ deiner Mutter bloß meine Boxer abgenommen, als sie die in deine Tasche stopfen wollte“, erklärte Alex.
„Das wäre eigentlich meine Aufgabe gewesen“, meinte Ben.
„Ihr die Boxer wegzunehmen? Du warst doch gar nicht da!“, entgegnete Alex und tat übertrieben dämlich.
„Mann, Alex! Du weißt genau, was ich meine.“
Mehr brauchte Ben nicht zu sagen, denn er wusste, dass Alex klar sein musste, worum es ihm ging. In Anbetracht all der Ereignisse wäre es allein seine Angelegenheit gewesen, seinen Eltern zu erzählen, dass er Alex liebte.
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