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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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nicht zu seinem besten Mann.“
    „Sondern?“, fragte Alex.
    „Dazu gehört mehr“, erklärte Iwan und nickte bekräftigend. „Viel mehr …“
    Alex‘ Gesicht verzog sich nachdenklich. Er verarbeitete die Worte und ahnte, was sie bedeuteten. Vermutlich sprach Iwan von Gewalt, Mord und Einfluss. Diese Vermutung stellte Alex zum ersten Mal seit dem Beginn seines Dealer-Daseins vor die Frage, ob er sich mit einer stärkeren Bande angelegt hatte, als bislang angenommen. Die meiste Zeit hatte er seine Sorgen in Alkohol ertränkt – so, wie heute. Doch am heutigen Abend behielt er trotz der vier Biere einen klaren Kopf. Deshalb stellte er auch fest, dass Iwans zwiespältige Art einen großen Einfluss auf sein bisheriges Denken genommen hatte. Vermutlich war das Sinn der Sache. Iwan war eine Art Unteroffizier, der die Truppe mit seiner strengen, aber freundlichen Art zusammenhielt. Er tauchte die ganze Sache in ein spezielles Licht, unter dem man es als Selbstverständlichkeit ansah, als Dealer zu arbeiten. Doch hinter diesem Schein verbarg sich der andere Iwan. Der, der ihn gewürgt hatte; der, der Sergej vor wenigen Minuten dazu aufgefordert hatte, handgreiflich zu werden. Und dieser zweite Charakter des Russen lieferte einem den Vorgeschmack auf all das, was sich noch über ihm verbarg. Und dazu zählte vor allem Pawlow.
    „Verstehe …“, gab Alex schließlich zurück.
    Er drückte seinen Fuß auf die Kupplung und löste die Handbremse. Dann startete er den Motor. Iwan warf ihm noch einen kritischen Blick zu, bevor er sich gänzlich aufrichtete und die Tür zuwarf. Er blieb eine Weile stehen und musterte Alex durch das Seitenfenster. Doch der Blonde ließ sich nicht irritieren. Er tat neutral, schaltete das Licht ein und begann sich aus der Parklücke zu fädeln. Daraufhin wich Iwan endlich zur Seite und kehrte zu Sergej zurück. Alex schaute ein letztes Mal in ihre Richtung, bevor er sich auf die Straße vor sich konzentrierte. Er fuhr auf den gegenüberliegenden Bordstein, wendete und gab Gas, als er an den beiden Russen vorbeifuhr.
    Er war froh, nur mit schmerzenden Handgelenken aus der Kontroverse entkommen zu sein. Und das, obwohl er Iwans Aggression förmlich provoziert hatte.
    Er bog rechts ab und schleuste sich in den Straßenverkehr. Zwischen den vielen Autos fühlte er sich auf eine seltsame Art und Weise geborgen. Fast, als wäre er nur ein gewöhnlicher Mensch wie all die anderen. Dabei erinnerte er sich daran, wie die vielen Autos über die Elbchaussee gefahren waren, während er gekidnappt worden war, und stellte sich vor, dass auch jetzt, in diesem Moment, einem anderen Menschen etwas wiederfuhr, von dem er – wie auch all die anderen Autofahrer – nichts ahnte. Das war ihre Gemeinsamkeit. Das machte Alex zu einem Teil von ihnen. Deshalb fühlte er sich gut. Und nicht nur deshalb, sondern auch, weil er seine Aufgabe erfüllt hatte. Sobald er zu Hause sein würde, würde er den Spanier anrufen, ihm den Namen des Hintermanns mitteilen und ihm dessen Aussehen beschreiben. Danach würde er noch ein fünftes Bier trinken und mit sich selbst auf seinen Erfolg anstoßen. Später würde er sich dann bei Ben melden, um sich für all das, was er ihm angetan hatte, zu entschuldigen. Noch war es nicht zu spät für eine zweite Chance. Noch lagen nur ein paar Wochen zwischen ihnen, die sie wieder aufholen konnten. Er war sogar dazu bereit, sich gleich am nächsten Tag auf den Weg nach Flensburg zu machen. Es war das erste Mal seit Langem, dass er seine Gefühle wieder zuließ. Allerdings fiel ihm plötzlich noch eine ganz andere Sache auf. Wie sollte er sich wieder aus dem Kreis der Russen schleusen? Die Kerle hatten seinen Namen, seine Adresse. Würden sie ihn einfach so gehen lassen? Die Tatsache, dass er von ihrem Boss wusste, machte die Sache nicht unbedingt leichter. Iwan und Sergej waren bei seinen Fragen misstrauisch geworden. Was, wenn sie herausfanden, dass er als Spion agiert hatte, um Pawlow auszuliefern?
    Die Sache musste einen Haken haben. Das erkannte er sofort. Deshalb klang seine kurzzeitige Euphorie ab und hinterließ Zweifel. Der Spanier hatte ihn in der Hand. Womöglich benutzte er ihn wie eine Marionette und trieb ihn nun zu immer weiteren Dingen an. Es erschien Alex als nahezu unmöglich, unversehrt aus der Sache herauszukommen. Mit einer Partei würde er sich in jedem Fall anlegen. Die einzige Lösung war, dass der Spanier Pawlow zur Strecke brachte und Alex daraufhin in Ruhe ließ.

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