Sommermond
Doch bis dahin musste Alex jeglichen Verdacht von sich abwenden und Iwans Zweifel auslöschen.
„Scheiße …“, murmelte er, als er erkannte, dass er sich zu früh gefreut hatte.
Dennoch war er froh, den Auftrag für den Spanier erfolgreich abgeschlossen zu haben. Auch wenn er wusste, dass er das Spiel noch eine Weile weiterspielen musste. So lange, bis er aus dem Schneider war. So lange, bis er nicht mehr befürchten musste, dass die Russen ihn enttarnten. Ab sofort würde er damit anfangen, sich rar zu machen, um sich irgendwann vollends zurückziehen und sich dafür irgendeine absurde Begründung aus den Fingern saugen zu können. Dann konnten sie ihm nichts antun. Denn die Spielregeln der Russen waren andere als die des Spaniers. Bei ihnen galt nicht die Regel „Einmal drin, immer drin“. Sie hatten ihren festen Stab an Anhängern, doch die Dealer, die am Bahnhof und in schäbigen Seitengassen arbeiteten, wechselten sie wie ihre Bettwäsche. Das hatte Alex selbst einmal mitbekommen: Ein Kerl hatte die zur Verfügung gestellten Drogen nicht vertickt, sondern behalten. Jefrem, ein russischer Kerl auf gleichem Niveau wie Sergej, hatte ihn daraufhin davon gejagt - mit der deutlichen Drohung, sich nie wieder bei ihnen blicken zu lassen.
Alex kannte also die Regeln. Nun musste er nur dafür sorgen, sich nicht weiter auffallend zu verhalten, damit er in ein paar Tagen untertauchen und in das normale Leben zurückkehren konnte.
Er setzte den rechten Blinker und fuhr die Einfahrt zur Villa hinauf. Seinen Wagen parkte er hinter dem von Jo und schaltete den Motor ab. Er zog den Schlüssel aus der Zündung und drückte die Fahrertür auf. Als er sich anschließend aufrichtete, überkam ihn ein Gefühl von Schwindel. Jetzt spürte er den vielen Alkohol und war einen Moment lang erstaunt darüber, wie multitaskingfähig er bis eben gewesen war. Er hatte die Strecke unfallfrei zurückgelegt und sich gleichzeitig etliche Gedanken gemacht.
Bevor er die Wagentür wieder zuwarf, beugte er sich noch einmal in seinen BMW und zog die Zigaretten und sein Handy vom Beifahrersitz. Erst dann verriegelte er seinen Wagen und klemmte sich eine Marlboro zwischen die Lippen. Er zündete sie an und zog kräftig an ihr. Dann machte er sich auf den Weg zur Haustür. Im selben Moment klingelte sein Handy. Irritiert blickte er auf das Display und las die unbekannte Nummer. Einen absurden Moment lang hoffte er, dass Ben ihn von einem fremden Telefon anrief. Doch diese abwegige Hoffnung verwarf er schnell wieder. Er schüttelte seinen Kopf, drückte auf die grüne Hörertaste und klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Hals, während er mit einer Hand rauchte und mit der anderen an seinem Schlüsselbund nach dem richtigen Schlüssel zur Villa suchte.
„Hallo?“, meldete er sich.
„Du erklärst mir jetzt sofort, was da vorhin los war!“, schallte ihm der bekannte spanische Akzent entgegen.
Alex öffnete seinen Mund, um zu antworten, schloss ihn dann aber wieder. Eine alkoholbedingte Überforderung dehnte sich in ihm aus und erschwerte es ihm, seine Gedanken zu ordnen. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er sich über den Anruf freuen sollte oder nicht. Einerseits konnte er dem Spanier auf diese Weise die aktuellsten Neuigkeiten übermitteln, andererseits breitete sich immer ein mulmiges Gefühl in ihm aus, sobald er die strenge Stimme vernahm und ihm bewusst wurde, dass der Spanier seine Augen überall hatte. Keine seiner Handlungen blieb unbeobachtet. Das war etwas, an das er sich nie gewöhnen würde.
„Ich hab‘ den Namen“, entgegnete er schließlich, ohne auf die Frage einzugehen.
„Du hast nichts!“, erwiderte der Spanier. „Du hast dir das ganze Geld abnehmen lassen.“ Er pausierte kurz. Alex konnte ihn atmen hören. „Und warum? Weil du deinen Schwanz nicht in der Hose lassen kannst.“
„Ich hab‘ den Namen des Hintermanns“, wiederholte sich Alex noch einmal deutlicher. „Interessiert dich das gar nicht?“
„Mich interessieren Fortschritte“, entgegnete der Spanier. „Dass der russische Anführer Pawlow heißt, weiß ich längst.“
Alex traute seinen Ohren nicht. All das, worauf er sich während der Autofahrt vorbereitet hatte, all die Hoffnung, schien nun wie eine Seifenblase zu zerplatzen. Einen kurzen Moment kam er sich vor, wie von versteckten Kameras umgeben. Deshalb blickte er sich flüchtig um, während er einen weiteren Zug von seiner Zigarette nahm.
„Woher?“, fragte er und versuchte
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