Sommermond
Freundschaft insistiert“, versuchte Ben eine schwache Verteidigung.
„Ja, ich weiß“, entgegnete Peer. „Die Gefühle sind erst später gekommen.“
„Du meinst, als ich dich die ganze Zeit mit meinen Problemen zugetextet habe?“, fragte Ben.
Er konnte es kaum fassen. Peer zuckte erneut mit den Schultern.
„Ich kann nichts dafür, dass ich mich in dich verliebt habe, okay?“
Offenbar versuchte er gereizt zu klingen, hörte sich aber stattdessen verzweifelt und gekränkt an.
Ben sah ihm fest in die Augen. Peers Geständnis war nun eindeutig. Die Worte bohrten sich wie spitze Nägel in seinen Verstand. Sie taten ihm weh. Vermutlich hätte sich jeder schwule Single als glücklich geschätzt, von einem derart attraktiven Kerl begehrt zu werden. Doch Ben konnte sich nicht darüber freuen, weil er sich nicht als Single fühlte. Zumindest nicht in seinem Verstand. Zwar hatte er sich die ganzen letzten Wochen erfolgreich ablenken können und freute sich auch auf seinen Auslandsaufenthalt, doch in jeder freien Minute überwogen noch immer die Gedanken an Alex. Sie machten ihm zu schaffen und bereiteten ihm schlaflose Nächte.
„Und wie geht’s jetzt weiter?“, fragte Ben.
Nachdenklich fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen und schmeckte dabei das Kaffeearoma, das Peer auf ihnen hinterlassen hatte.
Wieder zuckte Peer mit den Schultern. Nun schon zum dritten Mal. Das war untypisch für ihn. Normalerweise war der Kunststudent wortgewandt und wusste auf alles etwas zu erwidern. Doch nicht in diesem Moment. In diesem Moment stand er da und wirkte hilflos und schutzbedürftig. Fast wie ein kleines Kind, das seinen Eltern gerade gestanden hatte, bewusst etwas Falsches getan zu haben. Zwar ärgerte man sich über sein Verhalten, hatte aber gleichzeitig Mitleid mit ihm.
„Peer, ich –“, begann Ben, wurde jedoch sofort mit einer abwinkenden Geste unterbrochen.
„Ich weiß“, entgegnete Peer. „Gib mir einfach etwas Zeit.“
Ben nickte. „Ab morgen bin ich sowieso erst mal weg. Aber vielleicht können wir noch mal reden, wenn ich wieder da bin.“
„Keine Angst!“, erwiderte Peer und lächelte. Dieses Mal war es ein ehrliches Lächeln, das Ben etwas an den alten Peer zurückerinnerte. „Wir klären das, bevor du nach New York fliegst.“
Ben warf ihm einen skeptischen Blick zu. Dann grinste er und versuchte die Stimmung aufzulockern.
„Was gibt’s denn da noch zu klären?“, fragte er. „Ich hab‘ schon verstanden, dass du scharf auf mich bist.“
Peer sah ihn an und schüttelte lachend den Kopf. „Vielleicht sollten wir uns vor deiner Abreise noch einmal betrinken“, entgegnete er dann. „Man weiß ja nie, was so unter Alkoholeinfluss passieren kann.“
„Ach, was?“, gab Ben zurück und hob eine Augenbraue. „Du willst mich abfüllen, um mich flachzulegen?“
„Nein“, erwiderte Peer und sprach nun wieder ruhiger. „Ich will dich abfüllen, damit du mich beim nächsten Mal gefälligst zurückküsst.“
Ben schloss den Mund. Er konnte nicht glauben, was Peer da sagte. Einen ganzen Moment lang war er sich nicht sicher, ob Peer seine Worte ernst meinte oder nur Spaß machte. Dennoch war er erleichtert, dass sich die Spannung zwischen ihnen wieder gelöst hatte. Er hasste es nämlich, Dinge unausgesprochen zu lassen.
„War ‘n Scherz“, beruhigte ihn Peer. „Und mal im Ernst … Ich hab‘ mir nie große Hoffnungen gemacht. Ich weiß, dass du an jemand ganz anderem hängst. Außerdem fliegst du bald weg. Und wer weiß? Vielleicht kommst du in New York ja auf andere Gedanken, vergisst diesen Alex, erkennst, wie sehr ich dir fehle, kommst wieder und lässt dich auch ohne Alkohol von mir flachlegen.“
„Idiot!“, lachte Ben. „Du hast sie echt nicht mehr alle …“
„Und jetzt komm mal her!“, forderte Peer ihn auf und trat einen Schritt auf ihn zu. Doch Ben wich verunsichert zurück.
„Keine Angst!“, beruhigte ihn Peer. „Ich will dich kein weiteres Mal überfallen.“
Mit diesen Worten beugte er sich vor und schloss Ben freundschaftlich in die Arme. Der stand noch einen letzten Moment steif da, bevor er sich der Umarmung fügte und seine Hände auf Peers Rücken legte.
„Ich bin froh, dass ich dein Freund sein darf“, sagte Peer. „Und das lass ich mir von nichts und niemandem zerstören. Auch nicht von meinen Gefühlen.“
Ben seufzte erleichtert. Dann schloss er die Augen und genoss die Geborgenheit, die Peer ihm schenkte. Und so standen sie da,
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