Sommermond
er.
Wüsste er es nicht besser, hätte er sich seine Antwort glatt abgekauft. Er klang nicht wie ein Lügner. Er klang sicher und vertrauensvoll.
„In Ordnung“, erwiderte Pawlow.
Er zog das silberne Tablett zu sich und schüttete das Koks behutsam darauf aus. Alex beobachtete ihn. Ein flaues Gefühl machte sich in ihm breit. Er ahnte nichts Gutes. Pawlow tunkte seinen Zeigefinger in das weiße Pulver und drückte ihn anschließend auf seine Zunge. Er machte Schmatzbewegungen und ließ seine Zunge ein paar Mal schnellen.
„Echt ist es“, sagte er dann.
Alex verstand nicht ganz. Er kannte sich nicht mit Drogen aus. Das durfte er sich jedoch keinesfalls anmerken lassen.
„Natürlich ist es das“, erwiderte er. „Für kein Geld der Welt riskiere ich mein Leben.“
Die Worte waren schneller aus ihm herausgerutscht, als er zuvor über sie nachgedacht hatte. Dennoch entsprachen sie der Wahrheit. Alles, was er hier tat, tat er nicht für Geld, sondern weil man ihn dazu zwang.
Pawlow grinste. Dabei ließen ihn die Krähenfüße neben seinen Augen sympathischer aussehen, als er es vermutlich war. Er lehnte sich zur Seite, öffnete eine Schublade und zog etwas Klirrendes heraus, das er anschließend vor sich auf den Tisch legte. Alex erkannte sofort, dass es sich bei dem silbernen Röhrchen und dem Schiebemesser um Koksbesteck handelte.
„Na, dann wollen wir mal!“, meinte Pawlow und atmete einmal tief durch.
Er nahm das silberne Lineal und schob das Koks damit zusammen. Anschließend teilte er es in drei Häufchen und schob zwei davon zur Seite. Aus dem letzten formte er eine gerade Linie.
Alex beobachtete ihn angespannt. Sein mulmiges Gefühl nahm dabei ein ganz neues Ausmaß an.
Bitte nicht! , flehte er in Gedanken. Bitte, bitte nicht!
Doch seine Bitte schien ungehört zu bleiben. Pawlow legte seine Finger an das Tablett und schob es zu ihm herüber. Alex saß stocksteif da. Geistesabwesend starrte er auf die weiße Line und kam sich dabei vor wie in einem makaberen Albtraum.
„Was ist?“, fragte Pawlow. Zum ersten Mal klang er misstrauisch.
„Nichts …“, stammelte Alex. „Es ist nur … Ich will lieber ‘nen klaren Kopf behalten.“
Pawlow musterte ihn kritisch.
„Warum so nervös?“, fragte er ruhig.
Alex musste kräftig schlucken. Er wusste, dass er sich zusammenreißen musste. Hektisch durchblätterte er den Frage-Antwort-Katalog in seinem Kopf. Doch die Seiten verschwammen vor seinem geistigen Auge.
„ Nervös? “, hakte er nach, um etwas Zeit zu gewinnen.
Skeptisch sah er Pawlow in die Augen. Viel Zeit schenkte ihm dieser jedoch nicht, nickte nur knapp als Antwort. Alex musste sich schnell etwas einfallen lassen. Er konnte unmöglich koksen. Er wusste nicht, wie sein Körper darauf reagieren würde. Was, wenn er im Drogenrausch etwas ausplauderte? Vermutlich war das sogar Sinn der Sache. Er befand sich in einer Zwickmühle. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder fügte er sich der Situation, spielte seine Rolle weiter und probierte das Koks, oder er verschmähte es, weckte damit Zweifel in Pawlow und legte seinen Kopf verfrüht auf die Guillotine. Damit war eigentlich klar, für welche der beiden Optionen er sich entscheiden musste. Bevor er sich seinem Todesurteil widerstandslos fügte, nahm er lieber die andere Möglichkeit in Kauf. Wohin diese letztendlich führen würde, blieb abzuwarten.
Pawlow lachte höhnisch.
„Na, komm schon!“ Er hob seine Hand und machte eine willkommene Geste. „Du bist eingeladen.“
Alex sah ihm noch ein letztes Mal fest in die Augen, bevor er seinen Kopf senkte und mit der rechten Hand nach dem silbernen Röhrchen griff. Er kam sich völlig unbeholfen dabei vor, wusste nicht genau, wie er es anfassen sollte. Eine derartige Szene kannte er nur aus Filmen und versuchte sich deshalb so gut wie möglich an genaue Details zu erinnern. Er beugte sich vor, setzte ein Ende des Röhrchens unter sein Nasenloch und das andere an die Line. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Einen Augenblick lang befürchtete er, vor Nervosität ohnmächtig zu werden. Doch das geschah nicht. Er blieb bei Bewusstsein. Konzentriert schielte er auf das weiße Pulver, hielt das Röhrchen fest zwischen seinen Fingern, drückte sich das andere Nasenloch zu und wartete auf die richtige Dosis Mut. Als sie kam, ließ er das Röhrchen in einem schnellen Zug über die Line gleiten und sog das Koks durch die Nase. Als er fertig war, ließ er das Besteck klirrend auf das Tablett
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