Sommermond
mussten sie nur als protzige Dekoration herhalten.
Der glatzköpfige Bodyguard passierte Alex, schritt zum Schreibtisch und legte Alex‘ Handy und das Koks darauf ab. Anschließend ging auch er zur Tür und stellte sich in gleicher Position wie sein Kollege auf die andere Seite. Alex warf ihnen einen letzten Blick zu, bevor er wieder nach vorn schaute und angespannt darauf wartete, was als nächstes passierte. Seine Hände waren kalt und schwitzig. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Dennoch versuchte er gelassen zu wirken.
Auf dem Schreibtisch lag ein silbernes Tablett. Daneben befand sich eine Tischleuchte hinter einem gold umrahmten Bilderrahmen. An der vorderen Ecke stand ein Kugelstoßpendel. Die silbernen Murmeln hingen bewegungslos nach unten.
Einen ganzen Moment war es so still, dass Alex sich atmen hören konnte. Doch dann drehte sich der Stuhl hinter dem Schreibtisch. Aufgeregt pulte Alex mit seinen Daumen an seinen Handinnenflächen. Wenige Sekunden später fand er sich unmittelbar gegenüber Pawlow wieder. Der Russe sah genau so aus, wie er ihn in Erinnerung behalten hatte: breite Tränensäcke unter trüben Augen, Falten, die vom Leben erzählten, und ein Seitenscheitel zwischen strähnigem Haar. Er trug ein weinrotes Hemd, dessen Ärmel er bis zu seinen Ellenbeugen gekrempelt hatte. An seinem Hals prangte eine goldene Kette, an seinen Händen protzten Ringe mit übergroßen Edelsteinen.
Pawlow faltete seine Hände ineinander und legte sie vor sich auf den Tisch. Er warf Alex einen scharfen Blick zu. Alex schaute streng zurück. Dabei biss er seine Zähne so fest aufeinander, dass er spürte, wie sich seine Wangenmuskulatur anspannte.
„Es ist mir eine Ehre“, begrüßte ihn Pawlow und lächelte freundlich.
Alex – der mit jeder, aber nicht dieser Reaktion gerechnet hätte – starrte ein paar Sekunden fassungslos zurück, bevor er sich fing und sich verlegen räusperte.
„Schon als ich dich das erste Mal sah“, fuhr Pawlow in seinem schwer verständlichen Akzent fort, „wusste ich, dass du außergewöhnlich bist.“
Wieder musste Alex kräftig schlucken. Er öffnete seinen Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn aber wieder, als Pawlow ihn mit einer sanften Geste davon abhielt.
„Komm her und setz dich!“, forderte er ihn auf und deutete auf einen Stuhl, der auf der anderen Seite des Schreibtisches positioniert war.
Alex blieb noch einen kurzen Moment stehen. Er spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte. Er hatte Angst, einen Fehler zu machen. Er hatte Angst, etwas Falsches zu sagen. Er kannte die Art von aufgesetzter Sympathie, die ihm Pawlow gerade entgegenbrachte. Oftmals verhieß sie nichts Gutes. Dennoch folgte er dessen Anweisungen. Was blieb ihm auch anderes übrig? Erst zögerlich, dann etwas sicherer setzte er einen Fuß vor den anderen, zog den hölzernen Stuhl zurück und ließ sich auf der gepolsterten Sitzfläche nieder. Erneut fiel sein Blick auf das Newton-Pendel. Pawlow streckte seine Hand aus und setzte es mit dem Ziehen an einer Kugel in Gang.
Klick, klack, klick, klack machte es daraufhin – wie ein beständiger Puls, der Alex‘ Nervosität genauso verstärkte wie die Unterlegung eines schnellen Herzschlages in Thrillern.
„Dein Handy?“, fragte Pawlow und hob den besagten Gegenstand dabei an.
Alex nickte. „Und das Koks“, fügte er hinzu und deutete auf den Beutel mit dem weißen Pulver. „Sie wollten doch eine Probe.“
Pawlow warf ihm einen prüfenden Blick zu, reagierte aber nicht auf seine Worte. Stattdessen nahm er das Handy und drückte auf ein paar Tasten.
„Vielleicht finde ich ja hier drin genauere Information zu deinem …“ Er stockte, hob seine Augenbrauen und sprach das nächste Wort übertrieben deutlich aus. „… Kontakt.“
Alex überkam Panik. In seinem Handy befanden sich Mitteilungen des Spaniers. Sollte Pawlow sie lesen, wäre alles vorbei. Sein Herz klopfte nun so kräftig, dass er glaubte, Pawlow müsste es durch sein dünnes Hemd schlagen sehen. Jegliches Blut wich aus seinen Händen, ließ sie kalt und taub werden. Doch in seiner Mimik versuchte er sich nichts anmerken zu lassen. Unberührt blickte er zurück, während er innerlich den Tränen nahe war.
Pawlow musterte ihn prüfend. Erst dann senkte er den Blick. Willkürlich drückte er auf den Tasten herum. Er sah aus, als ob er sich in das Menü hineinzufuchsen versuchte. Alex gab sich innerlich auf. Er rechnete fest damit, dass es jeden Moment mit ihm vorbei sein
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