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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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einem Zustand, in dem er sein Studium, seine Freunde und sogar sich selbst vergaß. Alles war wie damals, als er sich wegen seines Praktikums in der Villa befunden hatte. Schon damals hatte ihn Alex in seinen Bann gerissen. Der Blonde hatte etwas an sich, dass ihn so sehr faszinierte, dass in dessen Gegenwart alles andere klein und unbedeutend wurde. Sobald er Alex sah, überkamen ihn Emotionen, die ihn dazu zwangen, Alex beschützen zu wollen; die ihn zwangen, Alex berühren zu wollen. Daran schienen auch die drei Monate Abstand und Ablenkung nichts geändert zu haben. Im Gegenteil. Jetzt, wo er wieder hier war, war die verlorengegangene Zeit nichts mehr wert. Fast, als hätte es sie nie gegeben. Dafür rückten all seine Erfahrungen und Erlebnisse wieder näher und gaben ihm das Gefühl, dass es noch nicht zu spät war. Er gestand sich ein, dass er Alex noch liebte – so, wie er niemand anderen zuvor geliebt hatte. Zwischen ihm und Alex existierte eine Art Verbindung. Etwas, das sich durch nichts zerstören ließ. Nicht durch Streit und erst recht nicht durch Zeit. Er sah ein, dass er sich die lange Warterei hätte sparen können. Er konnte seine Gefühle nicht abschalten oder verdrängen. Vermutlich hatte er sich die ganzen Wochen nur etwas vorgemacht, seine Freude über das Stipendium simuliert und seine Fahrt nach Hamburg falsch begründet. Er war hergekommen, um Alex wiederzusehen, weil er erkannt hatte, dass er sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte. Er wollte um Alex kämpfen. Deshalb war er zurückgekommen. Das war die Wahrheit.
    Ben drückte die Tür zum Gästezimmer auf, trat zum Bett und ließ seine Tasche vor sich auf den Boden fallen. Das Zimmer duftete nach Vanille. So hatte es schon damals gerochen. In der ganzen Villa. Nachdenklich ließ er seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Die bordeauxfarbenen Vorhänge waren zugezogen. Eines der Fenster war geöffnet und wehte frische Abendluft in das sonnenaufgeheizte Zimmer. Auf dem Nachtschrank stand eine Flasche Wasser, daneben zwei dicke Architektur-Wälzer. Jo musste sie dorthin gelegt haben. Unter der Lampe lag die Fernbedienung für den Fernseher. Erst überlegte Ben nach ihr zu greifen, um sich mit sinnlosem Zappen durch das TV-Programm abzulenken. Dann entschied er sich allerdings dagegen, beugte sich stattdessen vor und zog den Reißverschluss seiner Tasche auf. Genervt kramte er in der speziellen Ordnung seiner Mutter und suchte so lange, bis er seinen Kulturbeutel fand. Mit ihm erhob er sich vom Bett, schritt zurück zur Tür und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Er knipste das Licht an und ging zum Waschbecken. Er beugte sich vor, wusch sich flüchtig und putzte sich die Zähne. Als er sich anschließend den Schaum vom Mund wischte, warf er einen kurzen Blick in den Spiegel. Ein erschöpfter Ben blickte zurück. All die Euphorie, die er noch während der Autofahrt nach Hamburg gehabt hatte, war verblichen. Seine Augen wirkten trüb. Er schaffte nicht einmal ein Lächeln. Sein Spiegelbild verdeutlichte ihm nur umso mehr, dass der begonnene Prozess nun unaufhaltbar war. Er war wieder der Ben, der er vor drei Monaten gewesen war. Der, der sich von Sorge um Alex zerfressen ließ und sich dabei vollkommen hilflos fühlte.
    Leise seufzte er auf, wandte sich schließlich ab und kehrte in sein Zimmer zurück. Dort angekommen befreite er sich aus seiner kurzen Hose und dem T-Shirt und behielt nur die schwarze Boxershorts an. Das viele Nachdenken schlauchte ihn, machte ihn müde. Er trat zum Bett und zog die Decke zur Seite. Als er sich setzte und die ausgezogene Hose zusammenfaltete, spürte er etwas Knittriges in einer Tasche. Es war das Foto von Alex. Er zog es heraus, legte sich auf den Rücken und betrachtete es. Dabei schlich sich nun doch ein zaghaftes Lächeln auf seine Lippen, als ihm bewusst wurde, dass sich die Person auf dem Foto nur ein paar Zimmer weiter befand. Dieser Gedanke bescherte ihm ein neues Kribbeln, das ihn dazu bewegte, kurz die Augen zu schließen. Er legte das Foto auf seine Brust und verfing sich in Erinnerungen, die ihn seine Liebe verstärkt spüren ließen. Doch dieses positive Gefühl währte nicht lange. Als er sich an seine heutige Begegnung mit Alex erinnerte, wurde ihm übel. Er fragte sich, ob Alex nur sinnlos hatte herumprahlen wollen oder ob seine freiwilligen Geständnisse der Wahrheit entsprachen? Hatte er sich wirklich mit anderen Männern getroffen und war mit ihnen ins Bett gestiegen? Ben

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