Sommermond
Nur, dass es an diesem speziellen Tag unpassend normal wirkte.
„Wonach sieht’s denn aus?“, entgegnete Ben und trat über die Türschwelle auf die Terrasse.
Ein paar Meter weiter blieb er stehen und begann mit irgendwelchen dämlichen Dehnübungen. Alex beobachtete ihn und zog seine Augenbrauen zusammen. Normalerweise fand er nicht, dass Ben schwul aussah und damit in eine spezielle Kategorie einzuordnen war. Doch in diesem Moment stand er da, reckte und streckte sich und wirkte dabei äußerst feminin.
„Hast du mich belauscht?“, fragte Alex.
Ben streckte sein Bein aus, beugte sich vor und tippte mehrmals hintereinander mit seiner Hand gegen seinen Fuß.
„Nur zufällig“, ächzte er.
Alex nahm die Worte auf und nickte geistesabwesend. Eigentlich wollte er reingehen, schaffte es aber nicht, seinen Blick von Ben abzuwenden. Der Dunkelhaarige schritt nun zur Wand und machte Liegestütze gegen sie. Seine Muskeln spannten sich an, die Adern darüber stachen hervor und auf seiner Stirn bildete sich Schweiß. Das war bei der Wärme kein Wunder.
„Du fährst also morgen, ja?“, fragte Alex und ließ sich dabei keine Emotionen anmerken.
Ben drückte sich von der Wand und wandte sich zu ihm. Er griff an den Bund seines T-Shirts, zog den Stoff hoch und fuhr sich mit ihm übers Gesicht. Alex starrte auf Bens sonnengebräunten Körper und hatte Mühe, bei Verstand zu bleiben. Erst als Ben das T-Shirt wieder herunterfallen ließ und auf ihn zuschritt, riss er sich selbst aus den Gedanken. Ben blieb dicht vor ihm stehen und sah ihm fest in die Augen.
„Ja“, antwortete er dann. „Überrascht dich das etwa?“
Alex‘ Gesicht verzog sich. Es schien fast, als hätten Jo und Ben sich bei dieser Frage und insbesondere der Art und Weise, wie sie sie ihm stellten, abgesprochen.
„Nein“, antwortete er und schüttelte zusätzlich den Kopf.
Dann wandte er den Blick ab und starrte stattdessen neben Ben ins Leere. Dabei spürte er plötzlich ein absurdes Verlangen in sich aufsteigen, das ihn dazu zwingen wollte, sich auf Ben zu stürzen und ihn anzuflehen, dass er bei ihm bleiben sollte. Doch dieser Gedanke blieb ein Gedanke, und das war auch besser so.
„Gut, dann …“ Ben zuckte mit den Schultern und deutete zum Weg, der um das Haus herumführte. „Dann werd‘ ich mal …“
Als Alex sah, wie er sich zum Gehen umwandte, stieg reflexartig ein Schwall Mut in ihm auf und brachte ihn dazu, sich vor Ben zu stellen, um ihn aufzuhalten.
„Warte doch mal!“, rief er dazu.
Ben neigte seinen Kopf etwas nach hinten und betrachtete ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Ich …“ Alex gestikulierte wild vor sich in der Luft. „Ich …“
Er fand nicht die richtigen Worte. Gequält blickte er zu Ben, ließ seine Hände schlaff fallen und seufzte laut auf.
„Das mit gestern tut mir leid“, brachte er dann endlich hervor.
„Was denn genau?“, hakte Ben nach. „Dein Wunsch, ich wäre tot, oder die Scheiße im Pool?“
„Beides“, erwiderte Alex. „Ich wollte dich nicht verletzen.“
Ben lachte trocken und wirkte dabei befremdlich. Dann schüttelte er seinen Kopf.
„Das braucht dir nicht leid tun“, sagte er. „Du hattest recht. Es geht mich nichts mehr an, mit wem du ins Bett steigst.“ Er senkte kurz den Blick, bevor er wieder aufschaute. „Ich hätt‘ mir nur gewünscht, du hättest mich da rausgehalten.“
Alex musste stark schlucken. „Heißt das, dass du’s bereust?“, fragte er.
Ben schüttelte den Kopf. „Nein. Ich ärgere mich nur über meine Naivität.“
„Aber ...“
„Jetzt halt‘ mir bitte nicht wieder vor, wie viel du für mich getan hast!“, unterbrach ihn Ben. „Ich weiß das zu schätzen. Aber wir wissen beide, dass es niemals so weit gekommen wäre, wenn du nicht wieder so ‘nen beschissenen Alleingang gestartet hättest.“
„Mann, Ben!“, fuhr Alex ihn an. „Ich hatte ‘ne Scheißpanik! Kapierst du das nicht?“
„Doch, ich kapier‘ das“, entgegnete Ben. „Aber was ich nicht kapiere ist, dass du deshalb mit jedem x-beliebigen Kerl in die Kiste springen musstest … und musst.“
Alex’ Mund stand offen – bereit, etwas zu erwidern. Doch ihm fehlten die Worte. Das Schlimmste war, dass er Ben recht geben musste. Jetzt verstand er auch, warum dieser sich gegen ihn entschieden hatte. In der Zeit ohne Kontakt hatte er Ben nicht als einen bedeutenden Teil seines Lebens angesehen. Stattdessen hatte er alles versucht, um ihn zu vergessen. Und mit
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