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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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und deutete aufs Handschuhfach. „Und gib mir auch eine!“
    Alex nickte. Er streckte seine Hand aus und öffnete das kleine Fach. Sofort fiel ihm sämtlicher Kram entgegen: Irgendwelche Papiere, Quittungen, zwei Feuerzeuge und ein Kugelschreiber. Alex legte die Sachen auf seinen Schoß. Zigaretten konnte er nirgends sehen. Er schob ein kleines Etui zur Seite und wollte sich gerade an Iwan wenden, als er etwas sah, das ihm einen kalten Schauer verpasste. Er hatte es erst so spät entdeckt, weil es mit der im Fach herrschenden Dunkelheit eins geworden war. Doch jetzt sah er die Pistole klar und deutlich und starrte sie an.
    „Noch nie ‘ne Knarre gesehen, oder was?“, fragte Iwan und lachte dumpf auf. Seine Nasenflügel weiteten sich dabei wie die eines rasenden Stieres.
    „Ich …“, stammelte Alex.
    „Ist doch nur zu unserer Sicherheit“, versuchte ihn Iwan zu beruhigen. Doch sein schäbiges Grinsen löste alles andere als Entspannung in Alex aus.
    Iwan stöhnte genervt, streckte sein Arm aus und begann selbst im Handschuhfach zu wühlen. Gleich darauf fischte er eine Schachtel Camel hervor. Er warf sie auf seinen Schoß, setzte den Blinker und bog links in die Straße vorm Jenischpark. Derweilen stopfte Alex die anderen Sachen zurück ins Handschuhfach – bedacht, die Pistole nicht zu berühren, um keine unnötigen Fingerabdrücke auf ihr zu hinterlassen. Dann schloss er das Fach und blickte aus dem Seitenfenster. Iwan zog sich eine Zigarette aus der Schachtel und klemmte sie zwischen seine Lippen.
    „Wo genau wolltet ihr euch treffen?“, nuschelte er durch den Filter.
    Alex starrte ihn an. Als Iwan seinen Blick bemerkte, starrte er zurück.
    „Wie jetzt?“, fragte er und nahm die Kippe wieder aus dem Mund. „Habt ihr nichts ausgemacht, oder was?“
    Alex zuckte mit den Schultern. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Zigmal war er den abendlichen Ablauf durchgegangen, hatte dabei aber kein einziges Mal bemerkt, dass der Treffpunkt mit seinem angeblichen Kontakt recht schwammig war. Er öffnete den Mund und wollte gerade etwas zu seiner Verteidigung sagen, als Iwan eine halbe Vollbremsung einlegte und nach links in die Dunkelheit deutete.
    „Ist er das?“, fragte er.
    Alex folgte seinem Fingerzeig und spähte zwischen den Bäumen hindurch auf die Wiese. Auf einer Bank saß ein junger Kerl, höchstens 25. Alex konnte ihn kaum erkennen, und die Tatsache, dass er keine Ahnung hatte, wie der Typ, mit dem er sich treffen sollte, aussah, machte es ihm nicht unbedingt leichter. Er formte seine Augen zu schmalen Schlitzen und fokussierte die fremde Gestalt. Der Kerl hob gerade seinen Arm, schob seinen Jackenärmel ein Stück zurück und schien auf seine Uhr zu schauen. Neben ihm auf der Bank lag ein schwarzer Koffer. Das war das entscheidende Indiz. Er musste es sein.
    „Ja“, erwiderte Alex.
    „Gut“, sagte Iwan. „Dann hau ab! Ich hab‘ nicht die ganze Nacht Zeit.“
    Alex nickte und starrte dabei auf die Zigaretten auf Iwans Schoß. Zum Rauchen blieb ihm jetzt keine Zeit mehr. Er befreite sich aus dem Gurt und drückte die Tür auf. Es hatte zu regnen aufgehört. Er stieg aus und blickte noch einmal ins Wageninnere.
    „Und du wartest hier?“, hakte er noch einmal nach.
    „Du hast es erfasst!“, entgegnete Iwan. „Ich behalt‘ dich im Auge. Also bau keinen Scheiß!“
    Alex nickte und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er trat ein Stück zurück und warf die Tür hinter sich zu. Die ersten Schritte taumelte er rückwärts und starrte wie in Trance auf den Mercedes. Mit dem Verlassen des Autos wurde es ernst. Jetzt konnte er keinen Rückzieher mehr machen und musste die Sache durchziehen. Sein Magen zog sich zusammen und ein kurzer Anfall von Schwindel packte ihn. Plötzlich wurde er doch nervös, fast panisch. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass der ganze Deal keine Kleinigkeit war, die er mal eben abhandeln konnte. Er fühlte sich hilflos und erkannte, dass er sich selbst ausgeliefert hatte, als er in Iwans Wagen gestiegen war. Er hätte auf Ben hören sollen. Er hätte sich Hilfe holen sollen.
    Ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken. Was, wenn er nur das Mittel zum Zweck war? Was, wenn der Spanier ihn umbringen würde, sobald er seine Aufgabe erfüllt hatte? Was für einen Grund hatte er, Alex danach gehen zu lassen? Ehre? Dankbarkeit? Achtung? Der Spanier besaß keine dieser Eigenschaften. Er war nicht wie andere Menschen. Er war kalt und gefühllos.
    Alex vertiefte sich

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