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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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Wortlos wandte er sich ab und drehte sich kein weiteres Mal zu ihm um. Er überquerte die nasse Wiese und kehrte in langsamen Schritten zum Mercedes zurück – als ob er hoffte, durch seine Trödelei etwas Zeit zu gewinnen. Zeit, die er brauchte, um seine Gedanken zu ordnen. Doch sein Kopf war leer. Da war nichts. Nichts außer der To-Do-Liste für die nächste Stunde.
    Sein Puls beruhigte sich allmählich. Fast, als ob er nach bestandener Bewährungsprobe nichts mehr zu befürchten hatte. Der Wind blies durch die Blätterdächer. Der vom Laub aufgefangene Regen tropfte auf ihn herab. Er wischte ihn von seiner Stirn und kam schließlich bei Iwan an. Der Russe beugte sich vor und drückte ihm die Tür auf.
    „Und?“, fragte er.
    „Alles klar“, erwiderte Alex.
    Er kletterte in den Wagen und zog die Tür hinter sich zu. Den Koffer legte er vor sich auf den Schoß. Seine Hände ruhten auf dem kalten Leder. Er konnte fühlen, wie blass er war. Doch er versuchte sich zu beherrschen und wich Iwans Blick aus. Er wusste, dass jetzt der zweite Akt begann. Der Akt, in dem Iwan mit ihm zum Hafen fahren und der Spanier ihnen folgen würde. Alex verdrängte diesen Gedanken. Er wollte sich nicht vorstellen, in was für einem Szenario das Ganze am Hafen enden würde.
    Iwan fuhr zurück auf die Elbchaussee. Er schien nicht besonders gesprächig zu sein. Alex war dankbar dafür. Er hatte ohnehin zu viel im Kopf. Mit seinen Fingern tippte er auf das Leder des Koffers. Seine Lippen hielt er zusammengepresst und warf alle paar Sekunden einen Blick in den Außenspiegel. Bislang fiel ihm nichts Außergewöhnliches auf. Trotzdem wurden seine Hände schwitzig und sein Puls erhöhte sich mit jeder Minute.
    „Warum so nervös?“, riss Iwan ihn aus den Gedanken.
    Alex warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Er erschrak darüber, dass Iwan ihm seine Nervosität anmerkte. Deshalb hielt er seine Hände nun still und legte sie stattdessen flach auf den Koffer.
    „Na ja“, erwiderte er dann und tat gelassen, „man hat ja nicht jeden Tag ‘nen Koffer Koks bei sich.“
    Iwan blickte ihm prüfend in die Augen, bevor er nickte. Er griff nach seiner Schachtel Camel , zog eine Zigarette heraus und reichte sie Alex. Der nahm sie an und zwang sich zu einem dankenden Lächeln.
    „Ist doch gut gelaufen“, sagte Iwan und gab ihm das Feuerzeug. „Ich hoffe für dich, der Kerl hat dir keinen Scheiß verkauft.“
    Alex schüttelte sofort den Kopf. „Nein. Wir können uns auf ihn verlassen.“
    In Wahrheit zweifelte er am Inhalt des Koffers. Doch das durfte er sich nicht anmerken lassen. Er zündete seine Zigarette an und zog kräftig an ihr. Iwan nahm sich ebenfalls eine Kippe. Schweigend rauchten sie. Stickiger Nebel füllte den Wagen. Alex musste husten und ließ das Seitenfenster ein Stück nach unten. Anschließend blickte er nach draußen. Sie befanden sich nun auf der Palmaille und fuhren an dem weißen Gebäude der Weissmeer Tank-Reederei vorbei. Alex nahm einen weiteren Zug an seiner Zigarette und war bemüht, seine Aufregung zu verdrängen. Doch jeder Versuch, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, bewirkte genau das Gegenteil. Je mehr er sich abzulenken versuchte, umso nervöser wurde er.
    Sie fuhren Richtung St. Pauli Fischmarkt . In der Ferne sah man die hohen Baukräne des Hafens in den dunklen Himmel ragen. An der Kreuzung hielt ein Bus neben ihnen. Alex sah zu ihm auf. Zwei Jugendliche starrten zurück. Sie tauschten ein paar Worte und lachten. Alex hielt den Koffer noch fester. Seine klammen Hände hinterließen feuchte Abdrücke auf dem Leder. Als er wieder aufblickte, hatten die Typen ihren Blick abgewandt. Alex atmete erleichtert auf. Vermutlich hatte er sich nur eingebildet, dass sie über ihn geredet und gelacht hatten.
    Die Ampel wurde rot. Iwan schaltete und bog links ab. Nebenbei warf er seine aufgerauchte Zigarette aus dem Fenster. Auch Alex nahm seinen letzten Zug und ließ das Fenster noch ein Stück weiter herunter. Er schmiss seine Kippe nach draußen und warf dabei einen flüchtigen Blick in den Seitenspiegel. Dann wollte er das Fenster wieder schließen, erschrak jedoch, als er plötzlich einen schwarzen Wagen im Spiegel entdeckte, der auffallend dicht hinter ihnen fuhr. Alex hielt die Luft an. Er kniff seine Augen etwas zusammen und versuchte den Fahrer zu erkennen. Doch es war zu dunkel. Auch das Kennzeichen sagte ihm nichts. Trotzdem kam ihm der Wagen bekannt vor. Sein Kopf begann zu rattern und sämtliche

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