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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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Schwester verschwunden war, konzentrierte er sich zurück auf das Lehrposter. Nebenbei hoffte er, dass sich sein Zustand durch den Vorfall in der Nacht nicht verschlechtert hatte. Einen Augenblick später öffnete sich die Tür vor ihm. Eine junge Ärztin nahm ihn in Empfang.
    „Herr Richter, richtig?“
    „Ja, genau“, erwiderte Ben.
    Die Ärztin nahm die Akte von seinem Bett und zog ihn anschließend in den Vorraum des Röntgenzimmers.
    „Wir machen die Aufnahme im Liegen. Sie können sich schon mal frei machen. Können Sie aufstehen?“
    Ben verdrehte innerlich die Augen. Natürlich konnte er aufstehen, förderlich für den Heilungsprozess war dies allerdings nicht. Doch die Kommunikation zwischen den verschiedenen Krankenhausstationen ließ zu wünschen übrig. Das war ihm schon am gestrigen Morgen aufgefallen.
    „Ja, klar“, sagte er trotzdem.
    Mühselig richtete er sich zu einer sitzenden Position auf, während die Ärztin etwas in ihren Computer tippte. Anschließend knöpfte er das Krankenhaushemd auf und zog es über seinen Kopf. Ein breiter, weißer Verband überdeckte seine Wunden.
    „Muss der auch ab?“, fragte Ben.
    „Ja, ich helfe Ihnen gleich“, erwiderte die blonde Ärztin.
    Ben wartete und gewöhnte sich mit der Zeit an die Schmerzen. Erst nach einer ganzen Weile widmete sich die Ärztin wieder ihm und trat in hastigen Schritten auf ihn zu. Als sie näher kam, roch Ben Zigarettenqualm.
    „So, dann machen wir den mal vorsichtig ab“, sagte sie und sprach dabei schon fast wie eine Kinderärztin. Sie suchte nach dem Anfang des Verbands und wickelte ihn vorsichtig ab. „Danach kriegen Sie einen neuen.“
    Ben wurde flau im Magen. Er wusste nicht, wie groß das Ausmaß seiner Verletzung war. Bisher hatte er noch keinen Blick unter den Verband geworfen. Beim letzten Röntgen hatte er sich gezwungen, woanders hinzusehen, doch dieses Mal überwog die Neugierde. Nur noch eine Schicht trennte ihn von dem Anblick. Dann ziepte es und gleich darauf lag seine Verletzung frei. Der abgeklemmte Drainageschlauch baumelte aus einem Schlitz, drum herum getrocknetes Blut. Direkt daneben die Wunde vom Einschuss, die bei der Operation so sehr geweitet worden war, dass die Ärzte das Projektil mühelos entfernen konnten. Schwarze Fäden hielten die Wunde zusammen. Um sie herum war ein blaugrüner Bluterguss entstanden.
    Ben wurde übel. Schließlich wandte er den Blick ab.
    „Da haben Sie ja wirklich Glück gehabt, hm?“, meinte die Ärztin.
    Ben erwiderte nichts. Er hatte diese Formulierung nun schon viel zu oft gehört. Ja, natürlich hatte er Glück gehabt, dass er noch lebte, dennoch war sein gesundheitlicher Zustand kein Anlass zu irgendeiner Form von Euphorie.
    „Gut“, fuhr die Ärztin fort. „Wenn sich Ihre Lunge weiterhin gut verhält, wird die Drainage heute gezogen.“
    „Das wäre super“, erwiderte Ben.
    „Dann müssen Sie jetzt bitte mitkommen und sich drüben auf die Liege legen. Sie kennen das ja sicher schon.“
    Ben nickte. Er ließ sich vom Bett rutschen und setzte vorsichtig ein Fuß vor den nächsten. Aufrecht gehen konnte er noch immer nicht.
    „Geht es?“, fragte die Ärztin und legte eine Hand auf seinen Rücken. Sie passte sich seinem Tempo an.
    „Ja, ja … geht schon“, tat Ben ab. Er war bemüht, sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen.
    „Sie haben auch eine Rippenfraktur, richtig?“
    „Kann sein“, erwiderte Ben.
    „Damit müssen Sie sich noch lange schonen. Natürlich können Sie zwischendurch ein paar Schritte gehen. Die meiste Zeit sollten Sie aber besser im Bett verbringen.“
    „Schon klar“, gab Ben zurück. Er klang genervter, als er gewollt hatte.
    Nach ein paar Metern kamen sie im Röntgenraum an. Es war recht dunkel dort. Ben legte sich auf die Liege. Die Ärztin band ihm noch einen schützenden Gürtel um den Unterleib. Dann positionierte sie den Röntgenapparat über seinem Oberkörper.
    „Sie dürfen sich gleich nicht bewegen“, sagte sie dazu.
    Ben gehorchte und atmete flach. Als die Ärztin im Nebenzimmer verschwand, hielt er sogar die Luft an. Nur ein paar Sekunden später kehrte sie zu ihm zurück. Sie nahm ihm die Bleischürze ab und legte sie zur Seite.
    „So, das war’s schon“, sagte sie. „Ich verbinde Sie am besten direkt neu.“
    Ben nickte. Vorsichtig richtete er sich auf und schritt langsam zu seinem Bett zurück. Dort setzte er sich erst einmal. Die Radiologin holte einen breiten Verband aus einem Schrank und begann damit,

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