Sommermond
umklammerte er seinen schmerzenden Brustkorb. Der Weg zurück zum Bett stellte eine wahrhaftige Herausforderung dar. Mit zittrigen Händen befestigte er den kleinen Computer zurück an dessen Halterung. Als er sich anschließend zurück ins Bett legte und die Decke über seine kalt gewordenen Beine zog, kam er sich vor, als hätte er soeben einen anstrengenden Ausflug hinter sich gebracht. Dass er eigentlich nur kurz auf Klo gewesen war, deprimierte ihn.
Das Frühstück strahlte ihm entgegen. Zwei Brötchen und eine Scheibe Brot lagen neben einem Teller mit reichlich Aufschnitt, daneben eine gelbgrüne Banane. Sein Magen knurrte, dennoch wollte er nichts zu sich nehmen. Bei dem Gedanken an Essen wurde ihm übel. Das kannte er eigentlich nicht von sich. Normalerweise siegte der Hunger über seinen Verstand. An diesem Morgen war das nicht der Fall. Er überlegte, ob er Alex noch einmal anrufen sollte, kam allerdings zu der Erkenntnis, dass Alex an der Reihe war, sich zu melden. Er selbst konnte warten – auch, wenn ihm das schwer fiel.
Im Liegen waren die Schmerzen deutlich erträglicher. Sie klangen in einem gleichmäßigen Pochen ab und hinterließen lediglich das Gefühl eines starken Muskelkaters. Ben wusste, dass diese schmerzfreie Zeit trügerisch war. Seit er im Krankenhaus war, hatte er ihr schon oft eine prompte Heilung abgekauft, bei der nächsten Bewegung aber stets gemerkt, dass nur körperliche Schonung die Schmerzen linderte.
Nach einigen Minuten klopfte es an der Tür. Gleich darauf trat die junge Schwester ein.
„Sie müssen jetzt zum Röntgen“, erklärte sie.
Ben nickte.
Die Schwester trat an sein Bett und löste die Bremse.
„Sie haben ja gar nichts gegessen“, brachte sie verwundert hervor.
„Kein Hunger“, erwiderte Ben.
Dieses Mal nickte die Schwester. Nebenbei trat sie zum Monitor und schaltete ihn ab. Ben beobachtete sie irritiert.
„Ja, der kann tatsächlich ab“, erklärte sie. „Vielleicht kommt der über Nacht noch mal dran, aber tagsüber ist das nicht mehr nötig.“
„Super …“, erwiderte Ben. Seine Stimme klang nüchtern. Innerlich ärgerte er sich in einer Form von Selbstironie darüber, nicht etwas länger mit seinem Gang zur Toilette gewartet zu haben. Damit hätte er sich einiges an Fummelei erspart.
Die Schwester trat an sein Bett und beugte sich über ihn. „Ich nehm die Elektroden mal eben ab. Das kennen Sie ja noch von gestern. Die stören beim Röntgen.“
Ben beobachtete die Prozedur, ohne etwas zu erwidern.
Die Schwester schob das hässliche Krankenhaushemd nach oben und entfernte die einzelnen Aufkleber von Bens Brust. Ihre schwarzen Haare fielen ihr dabei ungehindert ins Gesicht. Sie war eigentlich ganz hübsch. Ben vermutete, dass sie regelmäßig von männlichen Patienten angebaggert wurde. Das kam für ihn natürlich nicht in Frage.
„So!“, sagte sie, als sie fertig war und richtete sich wieder auf. „Dann kann’s ja jetzt losgehen.“
Mit diesen Worten schritt sie zum Fußende des Bettes, umfasste den stählernen Rahmen und zog das Bett am Nachtschrank vorbei aus dem Zimmer. In dieser Position kam Ben sich besonders dämlich vor, wie er als kräftiger Mann von einer zierlichen Schwester durch den Flur gezogen wurde. Doch dem musste er sich fügen. Die Schwester schob ihn in den Fahrstuhl und stellte sich in dessen Innenraum dicht neben ihn. In diesem Moment schaffte Ben es zum ersten Mal, die Schrift auf dem kleinen Anstecker an ihrer Brust zu lesen.
Melanie Höfer stand dort in kleinen Lettern geschrieben.
„Schöner Name“, meinte Ben daraufhin.
„Geht so“, erwiderte sie. „Aber danke.“
Der Fahrstuhl hielt ein paar Stockwerke unter seiner Station. Melanie zog ihn aus dem Fahrstuhl, schob ihn noch ein kleines Stück durch den Flur und hielt vor der breiten Tür mit der Aufschrift „ Röntgen “.
„So, da wären wir!“, sagte sie. „Ich sag noch eben Bescheid, dass Sie da sind.“
Mit diesen Worten verschwand sie um die Ecke.
Ben lag da und starrte auf ein Bild an der sonst kahlen Krankenhauswand. Es war ein großes Plakat, auf dem verschiedene Röntgenaufnahmen abgebildet waren, direkt daneben die Erklärung zur Erkennung bestimmter Erkrankungen. Viel Zeit, sich die gedruckten Texte durchzulesen, blieb ihm allerdings nicht. Schon ein paar Minuten später kehrte die schwarzhaarige Schwester zu ihm zurück.
„Sie werden dann gleich reingeholt. Ich muss jetzt wieder hoch“, erklärte sie.
Ben nickte. Als die
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